Eulenspiegel
ernst nehmen. Ich werde zunächst mal hinfahren und mir anhören, was die Kollegen dort auf der Pfanne haben. Die müßten ja ein Stück weiter sein als wir. Schließlich kam der Tip mit der Russenmafia von denen.«
»Ach was, hinfahren«, schnitt ihm die Chefin das Wort ab. »Das geht doch alles sehr gut übers Netz.«
Van Appeldorn erwiderte nichts, aber seine Miene sprach Bände.
»Russenmafia«, murmelte Astrid. »Und wie kommen wir da ran? Es bringt ja wohl nichts, wenn wir alle Russen abklappern, die im Kreis Kleve gemeldet sind. So ein Mafiaboß wird ja wohl kaum in einer Asylantenwohnung leben.«
Charlotte Meinhard schaute sie nachsichtig an. »Selbstverständlich müssen wir von jetzt an interdisziplinär arbeiten, kooperativ, Hand in Hand mit Herrn Günther und Dr. Stein. Es ist allerhöchste Zeit, daß dieses Kästchendenken ein Ende findet. Solange wir in verschiedenen Kommissariaten denken und handeln, wird uns das organisierte Verbrechen immer überlegen sein, weil es die wesentlich effizienteren Strukturen aufweist.«
Toppe stieg langsam die Galle hoch.
Zum ersten Mal in Meinhards Anwesenheit legte van Appeldorn die Füße auf den Schreibtisch. »Wir sollen uns also von Günther die Liste der verdächtigen Lokale und Wechselstuben und weiß der Geier was noch geben lassen und die Objekte observieren. Richtig?«
Die Chefin sah Toppe an. »Das wäre ein Anfang, wenn Sie mich fragen.«
»Ich möchte bei Birkenhauer ansetzen«, sagte Toppe. »Es kann nichts schaden, sich einmal in Ruhe auf der Rhein-Maas-Ausstellung umzuhören. Wenn der Täter durch die hintere Zeltwand verschwunden ist, hat ihn vielleicht jemand dabei beobachtet. Die Malteser zum Beispiel haben gleich an der Ecke ihren Posten.«
»Der Täter?« meinte die Meinhard. »Gehen Sie etwa immer noch von einem Einzeltäter aus?«
»Ich gehe nicht davon aus, ich ziehe es lediglich in Betracht.«
Die Chefin stand auf und legte sich ihre Strickjacke um die Schultern.
»Wäre es Ihnen allen recht, wenn ich für morgen früh um zehn eine Pressekonferenz einberufe? Die Journalisten werden langsam zur Plage und brauchen ein bißchen Futter. Keine Einwände? Fein! Ich würde vorschlagen, daß wir alle teilnehmen, das macht sich besser. Vielleicht setzen wir uns eine halbe Stunde vorher zusammen und sprechen ab, wer welchen Ball spielt.«
10
»Karin? Du bist es tatsächlich! Ich glaub’s nicht.« Toppe nahm sie in die Arme. Um sie herum drängelten sich die Reporter, Fotografen und Kripoleute aus dem Saal.
»Was machst du denn hier?« zog Toppe die Frau aus der Hauptverkehrsstraße.
Karin Hetzel – vor etlichen Jahren hatte er sie im Zusammenhang mit einem Mordfall getroffen und sich ein bißchen in sie verguckt. Fotojournalistin war sie, und schon kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten, hatte sie eine Stelle in Hamburg angenommen.
»Ich hab mich in der Großstadt einfach nicht mehr wohlgefühlt«, lächelte sie ihn an. »Und außerdem hatte ich Heimweh nach meiner Ältesten und meinem Enkel.«
»Wie bitte?« Sie war doch mindestens fünf Jahre jünger als er.
»Ja, ich bin schon Oma. Ich hoffe nur, man sieht’s mir nicht an«, trat sie einen Schritt zurück.
Toppe strich ihr leicht über die kurzen, fedrigen Locken. »Wahrhaftig nicht.«
Sie war immer noch schlank, und ihr Gesicht mit den warmen, dunklen Augen und dem etwas zu großen Mund fand er noch genauso anziehend wie damals. Während des Pressetermins hatte er sie nicht bemerkt, aber es waren heute so viele Reporter da gewesen, daß er einzelne Gesichter gar nicht wahrgenommen hatte.
»Aber du hast dich verändert, Helmut. Ich mußte dreimal hingucken. Wo sind denn deine ganzen Kilos geblieben? Steht dir sehr gut.«
Toppe sah auf. Der Raum hatte sich geleert, aber an der Tür stand Charlotte Meinhard und beobachtete ihn. Er nickte ihr zu – »Ich komme gleich« –, faßte Karin Hetzel am Ellbogen und ging mit ihr hinaus.
»Wohnst du wieder in Kleve?«
»Ja, in unserem alten Haus. Ich habe eine feste Stelle als Redakteurin bei der Niederrhein Post gekriegt, allerdings bin ich jetzt bei der schreibenden Zunft. Sag, machst du heute Mittagspause?«
Er blieb stehen und sah ihr in die Augen. »Um zwölf im Steakhaus?«
»Immer noch euer Stammlokal? Ja gut, um zwölf.«
Im Büro schienen alle nur auf ihn zu warten, selbst Rother saß da. Die Stille war nicht gesund.
Charlotte Meinhard atmete hörbar ein. Wie so oft hatte Toppe das Gefühl, sie würde gleich
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