Eulenspiegel
Händchen dafür, die Leute zum Reden zu bringen und zwischen den Zeilen die wichtigen Informationen zu finden. Jetzt aber graute ihm davor, und das erschreckte ihn tief.
»Was stöhnst du denn so?« Van Appeldorn war ihm nachgekommen.
»Ach«, meinte Toppe nur und stopfte die Hände in die Taschen. »Hast du schon mit dem Pastor gesprochen?«
»Nein, der war eben noch nicht da.«
Der Pfarrer trat sofort aus der Menge, als die Kripomänner näher kamen. »Kann ich Ihnen helfen? Mühlenhoff, mein Name.«
Toppe nahm ihn beiseite. »Wohnte Herr Glöckner hier in Bimmen?«
»Nein, er kommt aus Rindern. Aber er sollte heute unser Ehrengast bei der Messe sein. Haben Sie das denn nicht in der Zeitung gelesen?«
Sie waren am Ende des Jägerzaunes, der den Friedhof einfaßte, angekommen und blieben stehen.
»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Toppe.
Mühlenhoff fing an zu erzählen. Das Triptychon, an dem man Glöckner aufgehängt hatte, war eine Kostbarkeit aus dem späten 17. Jahrhundert und seit jeher im Besitz der Gemeinde Bimmen. In den Wirren des letzten Krieges war das mittlere Stück, wie viele andere Schätze aus den Kirchen am Niederrhein auch, verschwunden. Offenbar hatte Glöckner es kurz nach dem Krieg irgendwo gekauft. Dieser hätte sich allerdings niemals Gedanken über die Herkunft oder den Wert des Kleinods gemacht. Erst nach seiner Pensionierung habe er die Zeit gefunden, Nachforschungen anzustellen, und nach etlichen Mühen herausgefunden, wohin das Kunstwerk eigentlich gehörte. Selbstverständlich hatte er es sofort an die Kirchengemeinde zurückgegeben, und heute nun hatte die erste Messe mit dem nun wieder kompletten Triptychon abgehalten werden sollen.
»Die Leute sagen, das könnte nur Eulenspiegel gewesen sein«, sagte Mühlenhoff. »Warum muß der sich ausgerechnet meine Kirche aussuchen, frage ich Sie.«
»Und warum ausgerechnet Glöckner?« ergänzte Toppe.
Der Pastor legte die Stirn in Falten. »Da fragen Sie den Falschen. Einen anderen zu töten, das liegt jenseits meiner Vorstellungskraft. Für mich sind alle Mörder Psychopathen.«
»Helmut!« Van Appeldorn winkte ihn mit dem Handy heran. »Bonhoeffer will die Obduktion sofort machen. Er war sowieso gerade im Krankenhaus. Soll ich hinfahren?«
Aber Toppe tastete seine Taschen schon nach seinem Autoschlüssel ab. »Nein, laß mal. Ich bin schon längst mal wieder dran. Sprich du mit Frau Glöckner und dem Küster. Und sieh zu, daß wir die Personalien von allen Kirchgängern kriegen. Die kommen bestimmt nicht alle aus dem Dorf.«
»Okay, dann sehen wir uns nachher im Büro. Soll ich Astrid und Walter rufen?«
»Wozu? Wir haben doch noch keinen Anhaltspunkt.« Toppe ließ seinen Blick über die Leute schweifen, die sich jetzt zögerlich auf den Heimweg machten. »Ich hatte die ganze Zeit schon so ein mieses Gefühl. Der Typ steigert sich. Wenn das Mord ist …«
Aber es war kein Mord. Glöckner war an seinem Erbrochenen erstickt.
»Vielleicht ist ihm vom Chloroform schlecht geworden«, schlug Bonhoeffer vor, als er nach der Obduktion mit Toppe beim traditionellen Calvados saß. Und Chloroform hatte der Attentäter benutzt, diesmal sicher, denn der Pathologe hatte Spuren davon ausmachen können. »Oder aber, er hat vor lauter Angst gekotzt, was ich für wahrscheinlicher halte. Gekotzt und sich in die Hosen gemacht, wie du ja gesehen hast.«
»Ja.« Toppe hielt sich das Glas mit dem Calvados unter die Nase. In den letzten Jahren hatte er sich an manchen Anblick in der Pathologie gewöhnt, aber die Gerüche machten ihm immer noch zu schaffen. »Todeszeitpunkt?«
»Zwischen neun und halb zehn heute morgen.« Bonhoeffer trank sein Glas mit einem großen Schluck leer. »Mehr kann ich dir nicht bieten. Der Mann war für sein Alter geradezu unverschämt gesund. Nur leider offenbar ein Hasenherz.« Sein Telefon bimmelte. »Jaa? Aha, gut, danke, Henry.« Er legte auf. »Ich muß dich enttäuschen, Helmut. Die Buchstaben auf dem Hintern sind nicht mit Blut gemalt worden, sondern mit Lackfarbe.«
»Wäre ja auch zu schön gewesen.«
»A und Q«, grinste Bonhoeffer. »Euer Eulenspiegel hat wirklich Phantasie. Ein wenig morbide, zugegeben, aber trotzdem. Ich weiß zwar nicht, ob er besonders intelligent ist, aber zumindest verfügt er über ein gerüttelt Maß an Bildung und eine ordentliche Portion Zynismus.«
»Ich halte ihn für ausgesprochen intelligent«, sagte Toppe nachdenklich. »Aber diese Eulenspiegelfigur ist eine
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