Eulenspiegel
Erfindung der Presse, da muß ich dich nun enttäuschen, Arend. Unser Team arbeitet mit einer ganz anderen Hypothese.«
»Unser Team? Wie redest du denn? Sag mal, Helmut, was ist eigentlich los mit dir? Seit Monaten schleichst du rum, als hättest du die Last der ganzen Welt auf den Schultern.«
»Mir geht es beschissen«, antwortete Toppe, und sein sachlicher Ton machte den Satz besonders schlimm. »Aber nicht jetzt, Arend. Wir reden irgendwann mal in Ruhe darüber, ja? Weißt du was? Ich hätte Lust, meine Laube einzuweihen. Wie wär’s an einem der nächsten Wochenenden?«
Bonhoeffer guckte ihn skeptisch an. »Na gut«, meinte er langsam, »wie du meinst. In Ordnung, laß uns mal wieder ein bißchen Spaß haben. Nur, dieses Wochenende geht es nicht. Sofia eröffnet am Freitag ihre Ausstellung in Rom, und da möchte ich gern dabei sein. Lädst du Henry auch ein?«
»Henry?« fragte Toppe verblüfft. Henry war Bonhoeffers Pathologieassistent, Belgier, ein über zwei Meter großer Bär, erschreckend stark. Mit seinem breiten Gesicht und den langen schwarzen Haaren, die er im Pferdeschwanz trug, erinnerte er Toppe immer an einen der »guten« Indianer aus den alten Western. Nur daß Henry wesentlich mehr sprach und wesentlich lustiger war. »Warum soll ich denn Henry einladen?«
»Na, wenn du’s nicht tust, dann wird Gabi ihn wohl einladen«, zwinkerte Bonhoeffer.
»Gabi?«
Bonhoeffer nickte nur langsam und ließ Toppe Zeit. »Gabi und Henry? Ich meine, ich wußte, daß es mit Peter nicht mehr so lief, aber … Wie haben die sich denn, ich meine, wie sind die …«
Bonhoeffer lächelte nachsichtig. »Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß nur, daß Henry über den Wolken schwebt und zu nichts zu gebrauchen ist. Scheint ernst zu sein.«
Van Appeldorn hatte seinen Bericht beinahe fertig eingegeben, aber sein Magen wollte nicht aufhören zu knurren, und langsam wurde ihm übel. Nach dem gestrigen leichten – er betonte es noch einmal für sich selbst: leichten – Absturz bei Coenders an der Theke hatte er heute morgen, als die Zentrale ihn aus dem Bett holte, außer schwarzem Kaffee und einer halben Scheibe trockenem, verbrannten Toast, die Marion ihm so liebevoll hingeknallt hatte, noch nichts zu sich nehmen können. Mittlerweile war es Viertel vor zwei. Wo sollte er jetzt was zu essen herkriegen? Die Tankstelle gegenüber hatte heute geschlossen.
In Heinrichs’ Schreibtisch fand er zwei Schokoriegel und ein Salamiwürstchen. Besser als nichts. Er leckte sich die Finger ab und setzte sich wieder an die Tastatur, als die Tür aufging. Na endlich!
»Hallo, Norbert.« Toppe wirkte auch nicht gerade frühlingsfrisch. »Kein Kaffee da?«
»Siehst du doch.«
»Dann mache ich welchen.«
»Nun komm schon«, drängte van Appeldorn. »War es nun Mord oder nicht?«
»Nein, war es nicht. Glöckner ist an seinem Erbrochenen erstickt.«
»Hatte ich mir fast gedacht. Ich habe den Bericht fertig. Soll ich ihn dir ausdrucken?«
»Nein, erzähl es mir lieber.«
Van Appeldorn legte die Füße auf den Schreibtisch.
Hermann-Josef Glöckner war gleich nach dem Krieg in den Besitz des Mittelstücks vom Bimmener Triptychon gekommen. Wie genau, das wußte seine Frau nicht, denn sie hatte ihren späteren Mann erst 1949 kennengelernt, und da hatte er das Ding schon gehabt. Wie der Pastor schon gesagt hatte, sollte heute um elf Uhr die Rückgabe mit einer Messe gefeiert werden, und Glöckner war dazu als Ehrengast eingeladen worden. Gestern abend gegen acht Uhr hatte die Niederrhein Post bei Glöckner angerufen: Sie würden gern vor der Messe noch ein Foto von ihm und dem Triptychon machen und ihn kurz interviewen. Deshalb hatte sich Glöckner schon früh auf den Weg gemacht, um den Fotografen und den Redakteur pünktlich um Viertel nach neun zu treffen.
»Der Anrufer war also wieder ein Mann?«
»Davon geht Frau Glöckner aus, aber sicher weiß sie es nicht, weil ihr Mann das Telefonat nur beiläufig erwähnt hat.«
Frau Glöckner war gegen Viertel nach zehn in ihrem eigenen Auto nach Bimmen gefahren, um mit ihrem Mann rechtzeitig, bevor die anderen Kirchgänger kamen, die Ehrenplätze einnehmen zu können. Vor der Kirche hatte sie den Küster und ein älteres Ehepaar getroffen und war gemeinsam mit den Leuten hineingegangen.
»Die war komisch, die Frau«, sagte van Appeldorn. »Ziemlich kühl und die ganze Zeit sehr diszipliniert.«
»So was gibt’s doch öfter.«
»Wenn du gerade erst deinen Alten gefunden
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