Eulenspiegel
Typisch!«
Ackermann war seit Jahren davon überzeugt, daß sein Hauptkommissar über einen sechsten Sinn verfügte und ließ sich auch jetzt, als Toppe ihn wieder auf den Boden holen wollte, nicht davon abbringen.
»Ich mach mich munter an ’t Werk. Wo find’ ich Sie, wenn ich Sie brauche?«
»Ich bin zu Hause.«
Toppe setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Er merkte, daß er angespannt war, und das ärgerte ihn, denn im Grunde war seine Idee ziemlich abenteuerlich – so viel Zufall konnte es kaum geben. Sein Blick fiel auf die krakeligen Notizen, die er sich am Samstag abend hastig gemacht hatte, um nichts zu vergessen. Er nahm ein großes, weißes Blatt Papier und begann, die Gedanken zu notieren und auszuführen.
Eulenspiegel handelte mit Bedacht, er war kreativ, und er liebte offenbar die Metapher:
Birkenhauer, der Mann aus kleinen Verhältnissen, auf gesellschaftliches Ansehen bedacht, mit Reichtum protzend – als Punker, schrill, laut, Abschaum, ohne Hosen, mit der lächerlichen Präsentschleife um sein Intimstes.
Geldek, aus ähnlich kleinen Verhältnissen, aber ein ganzes Stück weiter oben auf der Leiter der öffentlichen Anerkennung, auf dem Sprung zum Kunstmäzen – bei der Eröffnung eines Museums, inmitten eines Kunstwerks, das »Plaza« hieß; der Baulöwe auf dem Marktplatz, begafft; keine Schleife, nein, ein albernes Kondom. Schließlich nannte er etliche Bars und Clubs sein eigen.
Glöckner, der gute Katholik – »gekreuzigt« in einer Kirche; der Penis war uninteressant, aber auf den welken Pobacken A und fì, Anfang und Ende, dazwischen das, was er während seines Lebens von sich gegeben hatte.
Und zuletzt Bergfeld, der »anständige Politiker«, der gute Mensch von Moyland – ausgerechnet unter dem Bild von Beuys: »… wird überbewertet«, die Hoden abgeschnitten, entmannt, entmachtet. Vom selbstgezimmerten Thron gestoßen, wie die anderen auch.
Toppe hatte mit einem Gefühl zu kämpfen, das ihm überhaupt nicht gefiel: eine Art von Faszination für Eulenspiegels Intelligenz und Phantasie. Aber wenn man den Büchern glauben durfte, war es anderen Ermittlern bei dieser Art von Serientätern genauso gegangen, und das versöhnte ihn ein wenig mit sich selbst.
Ackermann blieb zäh bei der Sache; unerbittlich wählte er, fragte und redete und wählte wieder. Fuhr nach Hause, knuddelte seine Töchter, mähte den Rasen, als es schon dämmerte, ging zum Kegelabend und konnte nicht einschlafen, weil er Toppes Idee so wunderbar logisch fand und doch ein bißchen Sorge hatte – um den Chef –, daß sie sich als an den Haaren herbeigezogen erwies. Um halb drei in der Nacht hatte seine Frau genug von der Herumwälzerei und holte zwei Flaschen diebels ins Bett. Ackermann kippte sie in vier energischen Zügen weg und fühlte sich schwummerig, als seine Frau ihr plissiertes Nylonnachthemd über den Kopf zog und ihm ihre weißen Brüste übers Gesicht stülpte.
Sein elfter Anruf am Dienstag morgen bescherte Ackermann ein Déjà-vu-Erlebnis: »Ackermann hier, guten Morgen. Ich rufe an, weil.«
»Patrick? Gut, daß Sie sich endlich melden. Was denken Sie, wie unser Rasen aussieht! Also, wann können Sie kommen? Mir ist diese Woche jeder Tag recht.«
Die Frau des AOK-Bonzen hatte früher ein Gartenbauunternehmen mit der Pflege ihres Anwesens betraut gehabt, aber das war ein teures Unterfangen gewesen. Irgendwann hatte sie hinter vorgehaltener Hand einen der Arbeiter gefragt, ob er nicht nach Feierabend oder am Wochenende, also schwarz … Das hatte der Mann auch höchst bereitwillig zweimal gemacht und sich wieder melden wollen, was allerdings nie geschehen war. Eine Adresse oder Telefonnummer hatte sie nicht, sie kannte nur den Vornamen, Patrick, und er war so Mitte, Ende Zwanzig. Aber zumindest konnte sie Ackermann erzählen, wo dieser Patrick beschäftigt war.
Bevor er die neue Nummer wählte, freute er sich erst einmal in Ruhe. Mitte Zwanzig! So eine junge Stimme hatte er also. Dat ging einem doch runter wie Butter!
Dann wurde es spannend: Der Gartenbaumeister gab ihm muffelig ein paar spärliche Auskünfte und eine weitere Telefonnummer, und Ackermann endete schließlich bei den Rheinischen Kliniken in Bedburg-Hau: Einer ihrer Patienten, Patrick Tripp, lebte seit acht Monaten in einer Wohnung in der Klever Oberstadt, zusammen mit einem anderen Patienten. Beide hatten eine feste Arbeitsstelle und machten sich sehr gut. Wenn auch noch die regelmäßigen Tests auf Drogenmißbrauch
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