Eulenspiegel
der sich abgesetzt hat.«
»Logo«, kam es von Ackermann. »Ich weiß nich’, wie et bei euch is’, aber ich für mein Teil hab mich schonn auf lange Tage un’ kaputte Füße eingestellt. 216 Menschen, denen wer auffen Zahn fühlen müssen. Aber wat sollet, wen’stens tut man sich inne besseren Kreise um un’ nich’ wie sons’ inne sogenannte Halbwelt.«
»Klappe, Ackermann«, fuhr van Appeldorn ihm wie gewohnt dazwischen. »Ob Bergfeld auch einen Anruf gekriegt hat? Vermutlich ja. Was, zum Teufel, ist überhaupt passiert? Das soll der Typ uns gefälligst erzählen, und zwar schnellstens. So, einer von uns wird sich jetzt an dessen Bett setzen, und sobald der die Augen aufschlägt, kriegt der ein Mikro unter die Nase.«
Astrid zog langsam die letzte Haarnadel aus ihrer Frisur und legte müde die Stirn in die Hände. »Ich wäre dir dankbar, wenn du nicht mich schickst. Mir ist immer noch schlecht. Ich weiß auch nicht, was mit mir heute los ist.«
Wieder einmal war es Ackermann, der bereitwillig einsprang. Er verbrachte eine lange, sinnlose Nacht neben Bergfelds Bett auf der Intensivstation. Um halb sechs in der Frühe klingelte er van Appeldorn aus dem Bett. »Ich kann nich’ mehr, ich penn’ dauernd ein. Du muß’ kommen un’ mich ablösen.«
Van Appeldorn duschte in aller Ruhe und besorgte sich am Bahnhof erst noch zwei Sonntagszeitungen, bevor er zum Krankenhaus fuhr.
Ackermann stand auf dem Flur an der Wand und schlief. Sein Zottelhaar war filzig, und in seinen langen Bart hatte er lauter Löckchen gedreht. Mit Mühe hob er die schweren Lider, als er Schritte hörte.
»Bisse über Tokio gefahren? Ich geh’ echt auffem Zahnfleisch. Mor’n, trotzdem. Halt, halt, wir können jetz’ nich’ in dat Zimmer rein. Da is’ wat am Bach.«
Bergfeld war ins Leberkoma gerutscht.
»Das könnte eine Reaktion auf das Chloroform sein, und dann noch die ganzen Transfusionen«, erklärte der Arzt. »Wir werden ihn nach Essen verlegen.«
»Fährst du mit, Norbert?« fragte Ackermann.
»Was denkst du denn? Bergfeld ist im Moment unsere einzige Karte im Spiel.«
»Aber ob die ’n Trumpf is’?« wiegte Ackermann zweifelnd den Kopf.
»Wann wird er verlegt?« wandte sich van Appeldorn wieder an den Arzt.
»So schnell wie möglich. Aber an Ihrer Stelle würde ich nicht gleich mitfahren. Die Untersuchungen in Essen dauern auch ihre Zeit.« Er war wirklich hilfsbereit. Auch er wußte, wie jeder andere in der Stadt, bestens über Eulenspiegel Bescheid. »Warten Sie mal eben. Vielleicht kann ich Ihnen die Durchwahl von einem Kollegen in der Essener Klinik besorgen. Bei dem könnten Sie sich dann auf dem laufenden halten.«
Der Arzt in Essen entpuppte sich als arroganter Schnösel, der es für nötig erachtete, van Appeldorn geschlagene zehn Minuten lang darüber aufzuklären, daß er in erster Linie der Medizin verpflichtet und nicht Handlanger der Polizei wäre. Außerdem sei seine Zeit kostbar.
Nun war diplomatisches Geschick noch nie van Appeldorns Stärke gewesen, und so endete das Gespräch mit der Gewißheit, daß der Arzt sich auf keinen Fall melden würde, wenn Bergfeld aufwachte.
»Du bis’ vielleicht ’ne Knalltüte«, schimpfte Ackermann. »Un’ wat nu’?« Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
»Ich hole mein Rasierzeug und ein paar Klamotten zum Wechseln und fahre nach Essen. Da kriegen mich dann keine zehn Pferde mehr weg, und wenn ich bei denen auf der Fußmatte übernachte.«
Aber dazu kam es dann doch nicht. Bergfeld starb in den frühen Abendstunden, ohne noch einmal das Bewußtsein zu erlangen.
Helmut Toppe war sehr froh, daß Lowenstijn ihn am Montag morgen anrief und um Hilfe bat. Seine Stimmung lag weit unter dem Gefrierpunkt, und ein bißchen körperliche Arbeit würde ihm gut tun.
Die Villa lag auf dem Eltener Berg, gleich in der Nähe vom Drususbrunnen. Toppe fand sie nicht sofort und kurvte eine Weile bergauf, bergab durch den Ort. Was für eine seltsame Mischung von Häusern. Viel Neues, Protzgleichförmiges wie überall, aber von den älteren Gebäuden sah ein Teil sehr deutsch, der andere eindeutig holländisch aus. Er wußte nicht, wie oft dieser Berg seine Nationalität gewechselt hatte, aber in den Sechziger Jahren war er zum vorerst letzten Mal an Deutschland gefallen. Endlich entdeckte Toppe die Hausnummer neben einem schmiedeeisernen Doppeltor und konnte hinter hellem Laub ein Haus erahnen: eine zweigeschossige, gelb getünchte Jugendstilvilla mitten in
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