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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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hinunter.

20
REFLEXION
    »Ich bin Gott.«
    Meine Eltern lachen, als ich das sage. Aber ich weiß, dass es so ist.
    Schon als ich zehn war, wusste ich, dass sie in mir steckt, diese herrliche Macht, dieser Sog bin ich, deshalb kann ich ihn mich mitreißen lassen, kann ihn anpeitschen, kann von ihm leben, bis er mich zu fressen droht, und dann muss ich mich erinnern: Ich habe ihn geschaffen und kann ihn auch wieder in die Hölle schicken, oder?
    Ich bin zehn und weiß es. Noch nicht wirklich.
    »Ich bin aber Gott!«, sage ich, sagt mein zehnjähriges Ich und stößt dabei mit beiden Knien gegen die Rückenlehne meiner Mutter. Sie ist zu nah, warum muss ich auch noch im Kindersitz stecken, ich bin schon groß, und meine Beine haben hier hinten keinen Platz. Wieso rutscht meine Mutter nicht ein Stück vor? Ich werde so lange trommeln, bis sie sich bewegt, bis sie nicht mehr lacht, bis etwas passiert. Ich will erwachsen sein und vorne sitzen dürfen. Man sieht da besser, die vielen Autos vor uns und die Straße, die sich bis in den Horizont erstreckt, und man kann die Fenster öffnen, und man kann aussteigen, wann man will, weil man erwachsen ist. Ich will nicht mehr fahren! Ich will, dass wir jetzt anhalten! Ah, die Luft ist so stickig, und der Anschnallgurt schneidet
mir in die Halsschlagader, ich muss die ganze Zeit einen Finger zwischen Gurt und Puls stecken, damit ich nicht gewürgt werde.
    »Ich bin aber Gott, Mama.« Ich will, dass sie mitmacht, mir glaubt, mitspielt oder es wahr macht – oder ist es schon wahr? Gleichzeitig finde ich selbst kindisch, was ich da von mir gebe, ich höre die amüsierten Gedanken meiner Eltern dumpf in meinem Gehirn widerhallen. Lieb, denken sie. Liebes dummes Annilein, denken sie. Vor allem meine Mutter. Ich hasse meine Mutter, wieso sitzt sie so weit hinten? Aus purer Bosheit natürlich. Ich rege mich auf. Wie peinlich. Ich will aufhören, mit den Beinen zu trommeln, ich will ja nicht nerven, aber ich kann nicht aufhören, noch ein bisschen, mal schauen, was passiert, ob etwas passiert. Vielleicht hören dann die Eltern auf zu lachen, vielleicht hört meine Mutter auf, meinem Vater Blicke zuzuwerfen und dann mit den Augen auf die Rückbank zu mir zu deuten. Vielleicht hört sie dann endlich auf, sich so toll zu fühlen. Ich bohre mein rechtes Knie ganz tief in das Kunstleder des Beifahrersitzes, drehe es um wie das Messer in der Leiche, versuche, die Wirbelsäule meiner Mutter zu finden.
    Eine kalte Hand packt mein Knie und drückt es heftig nach unten, zwängt es in den Spalt zwischen Plastiksitz und Ledersitz. Die Hand meiner Mutter natürlich, sie verrenkt sich, um sicherzugehen, dass mein Bein jetzt unten bleibt, und dabei sagt sie kein Wort. Ich glaube, sie runzelt ihre Stirn, ich glaube, sie wird langsam zornig. Ich will es sehen.
    Mit beiden Händen zerre ich mir den fesselnden Gurt von der Kehle, ich drücke den Rücken durch und bäume mich gegen die Enge des Autos auf. Ich bin so gewachsen, dass meine Füße schon fast den Boden mit den beigen Autoteppichen, die an den Rändern und an der Unterseite in Gummi gefasst sind, berühren können, mit den Zehenspitzen kann
ich ihn schon spüren. Wenn nur der dumme, alberne, peinliche Kindersitz nicht wäre! Ich ziehe, beide Hände an der Kopfstütze meiner Mutter, mein Kinn an die Brust, so kann ich in den Rückspiegel sehen, ich sehe die Haarspitzen, die von meiner elektrisierten Kopfhaut abstehen und sich nicht glätten lassen wollen, feine Strähnen, durch die das Licht blitzt. Daneben sehe ich einen Ausschnitt aus dem Gesicht meiner Mutter, von ihren Augenbrauen bis zu ihrer Unterlippe. Jeder Muskel ist angespannt, zieht an den Augenlidern und an der Oberlippe. Der Herzbogen in der Mitte der Lippe ist verschwunden, stattdessen bilden die Lippen einen gerüschten Vorhang, der den Mund immer dichter verschließt. Ihr Gesicht ist in zwei Hälften geteilt, die, auf die durch das Seitenfenster grelles Licht fällt, und die, die durch die heruntergeklappte Plastikpalette an der Windschutzscheibe beschattet wird. Die dunkle Seite ist größer. Das Auge im Schatten richtet sich plötzlich auf mich. Es schließt sich, die Lider flattern. Auch der Nasenflügel in der finsteren Hälfte bebt. Dann öffnet sich der gerüschte Mund, und meine Mutter presst zwischen den Zähnen hervor: »Anita. Setz. Dich. Hin.«
    »Ich bin aber ein Gott«, murmele ich, während ich mich zurückplumpsen lasse. Das Plastik in meinem Sitz knarrt.
    »Anita,

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