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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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kriegen.
    Und plötzlich beginne ich zu trotten wie ein Tier, den Kopf gesenkt, wiege mich hin und her, Welle, Ebbe, Flut, schwenke meine Arme, hin, her, rechts, links, Mitte, kann in der Mitte bleiben trotz des äffischen Geschaukels, bin hier gelenkiger als auf dem Boden, stolpere nicht, keine Wurzel hier oben, an der ich mich verfangen könnte, nur Beton, so rau wie eine Muschelbank. Je weiter die Pfeiler ansteigen, sich als Rippen des Wehrs aus dem Boden bohren, je höher ich taumele,
desto sicherer bin ich, bin mir sicher, dass hier mein Platz ist, wo denn sonst, wenn nicht hier, ich passe nicht zu den Menschen dort hinter dem Park in der Stadt, in den Straßen und Hochhäusern, hinter glatten Fassaden und Glasscheiben zur Sicherheit, bin keiner wie sie, keiner von ihnen, denn ich kann nicht sprechen. Das ist mein eigentliches Problem. Ich bin kein Mensch, zum Sprechen nicht fähig, nicht fähig, das Fenster zu öffnen und meinen Vater aufzuhalten mit einem Satz: Ich liebe dich. Konnte Jonas nichts zurufen. Mich nicht einmal umdrehen, um zu sehen, was er tat. Wie er ging. Ob er ging. Ob ich ihn noch aufhalten hätte können. Konnte ihn nie anrufen, nicht ansprechen. Das Klassenzimmer nicht erreichen. Dem Lehrer nicht antworten. Melanie nicht behalten. Nicht reagieren auf ihre Worte. Ich kann nicht reden. Ich kann es einfach nicht.
    Ich bin also kein Mensch, bin eine Bestie, die nicht einmal am Computer sich ausdrücken kann, wenn ihr schon die Stimme fehlt, so fehlt ihr, mir, auch der Mut, auf Senden zu drücken, ich kann der Außenwelt, den anderen, nicht zeigen, was ich denke, kann mich nicht aufschlitzen, meine Gehirnwindungen sezieren und all das preisgeben, was so stürmisch darin rotiert. Immer warte ich nur. Auf Ich bin deine Freundin . Auf Ich bin deine Mutter . Auf Ich liebe dich . Selbst lieben kann ich nicht. Niemals. Kann es nicht. Denn Sprache ist Liebe, und Liebe ist Leben, und hier ist der Tod. Der sprachlose Tod. Da unten sitzt er, muss nicht sprechen, grinst auch so zu mir herauf, ich sehe ihn doch, wie er mir eine Schaumfratze zieht und lustig zuzwinkert, und ein Blatt steigt auf und kann auch nichts mehr sagen, bevor es für immer verschwindet. Der flaschengrüne, weißsprudelnde Tod hat alle Stimmen aus allen Straßen, allen gähnenden Abgründen in sein eintöniges Rauschen gesogen, dort sind sie versammelt,
tausend Stimmen, tausend Worte, nicht mehr zu entziffern, nicht mehr eindringlich, und doch aufdringlicher als jemals zuvor, tausend Hände, die nach mir greifen, sich applaudierend nach mir recken, mich streicheln wollen, bis das rosa Plüschfell sich sträubt, denn Hände sind Liebe, sind Sprache, sind Leben. Wo könnte ich besser leben als dort unten?
    Ich komme dem zentralen Punkt der Wehrbrüstung näher, unter mir hängt ein eisernes, an den Ecken veralgendes Schild, ich kenne es, weil ich es vom Ufer aus gesehen habe, mein Vater hat es mir gezeigt. Die Zahl, die auf diesem Schild steht, kenne ich auswendig, ich muss mich nicht hinknien und hinunterbeugen, um es zu sehen, wenn ich die Augenlider senke, ist sie sofort wieder da, die Zahl: 15,62 m. Fünfzehn Komma sechs zwei Meter. Von hier oben auf der Brüstung bis auf den Grund des Flusses, den man aber nie sehen kann, nicht sehen muss, weil Schlamm und Schaum und Wasser ihn bedecken, näher sind als er, realer sind als diese Fantasie von Flusswelt aus Kieseln und Farben und Menschenlosigkeit, Zeitlosigkeit.
    Das Wasser ist sogar sehr nah, sehr real, fassbar, greifbar, glaubhaft, es ist an mir, um mich herum in gläsernen Bändern, Schaumflocken tanzen in Schaumlocken, Traumglocken läuten, locken, rein, komm rein, komm, spiel mit mir, komm, spring rein, rein, rein, ich singe laut von meinem Glück, es ist so schön hier, Menschen der Stadt, aber kommt nicht näher, es ist gefährlich, ich könnte tatsächlich sprechen, spielen, springen. Springen.
    Ein Teil von mir springt.
    Springt in einem Bogen aus purem Licht, goldenes Haar, silberne Haut, Sonnenschein, Sternenstaubwolke, Regenbogenkristallstrahl,
in den Strudel des Flusses, der unter dem Wehr zum Meer wird, durch die Schleuse tobt und aufgestauten Ästen die Blätter abzupft, bevor er sie zerbersten lässt. Springt und fühlt den Wind im Gesicht, in den Augen, die Tränen, die über die Schläfen in die Ohren laufen und mit dem Blut zusammenschlagen mit solcher Gewalt, dass der Aufprall auf der Wasseroberfläche nicht so schlimm sein kann, der Moment, in dem die

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