Euro Psycho
sonstigen Aktivitäten. Sie kennen noch nicht den anderen Kev.«
Den anderen Kev. Hübsch. Aram hat recht. Der europäische Durchschnittsfan sieht jemanden wie Kev King durch die Abwehrreihen von Clubs wie Inter, Real oder Olympique Marseille brechen. Dann und wann.
Was eine feine Sache ist. Für sie, meine ich. Die Zuschauertrottel.
Aber das ist auch schon alles, was sie sehen.
Ich meine, sie kennen mich nur in meiner Arbeitskleidung, das heißt in einer scheußlichen Fußballermontur aus Polyester mit dem obligatorischen fauvistischen Logo eines indischen Hedge-Fonds auf der Brust – oder wer gerade unser Sponsor ist. Sie sehen, wie ich mit Fußballschuhen herumlaufe, die Frisur zerzaust, die Knie voller Dreck, keuchend wie ein brünftiges Mammut.
Aber sie sehen mich nicht außerhalb des Platzes, in all meiner Pracht, mit frisch frisierten Haaren, die Lässigkeit in Person, unterwegs in einem So-schick-dass-sich-der-Türsteher-nicht-mal-selbst-reinlassen-würde-Club. Sie sehen mich nicht in meinen eigenen Klamotten. Diese Festlandeuropäer – all die Pierres und Gunters, die verdammten Vincenzos – wissen wahrscheinlich nicht mal, dass ich eine eigene Modekollektion habe.
Ich verstehe, worauf The Shish hinauswill. »Gut«, sage ich. Erzähl weiter. Los, spuck’s schon aus.
»In Europa gibt es mehr als vierzig Länder, Kev.«
»Erzähl kein Scheiß.«
»Aber sicher.«
»Zähl sie auf.«
»Albanien, Armenien, Azerbaidschan … Hör zu, Kevin, du kannst mir ruhig glauben.«
»Na schön. Und …?«
»Na ja, stell dir vor, was für Auswirkungen es auf deine Popularität hätte, wenn die Leute in ganz Europa von diesem anderen Aspekt deiner Persönlichkeit, dem Lifestyle-Aspekt, wüssten.«
»Wusch!«
»Genau, Kevin, darum werden wir Folgendes tun …«
Erster Teil
Mehr Power. Als eine übliche Ballade.
»Auf geht’s«, brülle ich furchtlos ins Halbdunkel des Tunnels, stoße meinen üblichen Anfeuerungsruf aus. »Wir sind Kevin Keegan … Prinzessin Anne … Wir. Sind. Ringo Starr.«
Wir brennen darauf, da rauszugehen. Ash Hughes, unser unterbelichteter aber begnadeter Innenverteidiger steht vor mir. Er nickt, während ich herumbrülle, ohne sich umzudrehen. Er konzentriert sich auf die vor ihm liegende Aufgabe. Und das geht in Ordnung. Denn auf uns wartet das große Finale. Heute Abend kämpfen wir um die Krone Europas, bringen wir zu Ende, was wir begonnen haben. Heute Abend wird dieser Kontinent aus Quasten-Slippern, Mondschein-Dinners und Luxuslimousinen uns gehören …
»Heute Abend werden wir die Könige Europas sein!«, brülle ich in den Tunnel.
Genug der Worte. Wenn uns das nicht wachrüttelt, dann fließt durch unsere Adern kein englisches Blut. Ich halte den Mund und höre die Rufe der Durchschnittszuschauer im Stadion über uns, die darauf brennen, dass es endlich losgeht.
Eurovision!
Ohne das Markenbewusstsein meines Managers Aram Shishakli wäre ich wohl nicht hier, beim Eurovision Song Contest in der Esprit Arena in Düsseldorf. »Das ist die größte Unterhaltungssendung der Welt«, hat er gesagt. Sinngemäß. Und weiter – in seinen Worten: »Nach der Fußballweltmeisterschaft und der Europameisterschaft ist dies die Veranstaltung mit den meisten Zuschauern.«
»Was ist mit den Olympischen Spielen, Aram?«, hab ich zu bedenken gegeben – alles, was recht ist, ehrlich, ich liebe den Song Contest, ich will ihn nicht schlechtmachen. Aber: »Was ist mit dem heiligen Bund der Ehe zwischen Prinz William und der unschuldigen Katherine Middleton, die beiden hatten auch mehr Zuschauer, oder?«, habe ich gefragt.
Doch all das spielte keine Rolle. Der Plan war gut.
ABBA haben diesen Wettbewerb mal gewonnen. Und Celine Dion hat daran teilgenommen.
Ich bin hier, um auf dem Kontinent mein Gesicht zu zeigen – sans Polyester, sans Schweiß, gewandet in edelstem Zwirn –, und um als echter Patriot unsere Vertreter, Blue, zu unterstützen, Englands Helden für diesen Abend. Die ehemalige-Boygroup-und-jetzige-Mangroup Blue, die sich aus diesem Anlass wiedervereinigt hat.
Sie werden eine klasse Show abliefern.
Ich beuge mich im Tunnel nach vorne. »Vierzehn Million Platten«, flüstere ich Ash Hughes zu.
»Nein, so viele hast du nicht.«
Himmel. »Nicht ich. Blue.«
»Und wo bewahren sie sie auf?«
Ich mach mir wirklich Sorgen um Ash. Er ist zwar ein Topspieler, aber strunzblöd.
»Vierzehn Million verkaufte Platten, Ash.«
Ja. Sie haben elf Singles in den Top Ten der UK-Charts
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