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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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Gesundheitswesen, Steuerpolitik, usw.) einzuleiten; er wurde insbesondere ab 2001 nicht zuletzt aufgrund kurzsichtiger wahlpolitischer und teilweise populistischer Überlegungen sogar verlassen. Hohe und durch den Produktivitätszuwachs kaum zu begründende Lohnerhöhungen, die verspätete Veränderung der Wechselkurspolitik, die zur raschen Aufwertung der ungarischen Währung geführt hat, sowie das ungünstige wirtschaftliche Umfeld in Europa haben die Wachstumsraten erheblich reduziert (sie sind jedoch noch immer doppelt bis dreimal so hoch wie im EU-Durchschnitt), die zuvor erzielten Wettbewerbsvorteile beeinträchtigt und die Kosten des Übergangs auf eine neue Phase der Modernisierung erhöht. Die Auswirkungen lassen sich vor allem im stark angestiegenen Haushaltsdefizit (über 6 Prozent des BIP im Jahre 2002), in der wieder steigenden Auslandsverschuldung und dem raschen Rückgang der Sparquote der Bevölkerung zeigen. Zahlreiche Folgen des wirtschaftspolitischen Wandels von einer export- und investitionsorientierten Richtung auf die künstliche Verstärkung des Inlandskonsums im Rahmen einer »patriotischen« Wirtschaftspolitik mussten von der Regierungskoalition korrigiert werden. Bedauerlicherweise hatte die Regierung diese Gefahren entweder nicht
rechtzeitig erkannt oder wollte – wieder einmal aus kurzsichtigem politischem Kalkül – alle ihre Wahlversprechen in einem Jahr erfüllen. Mitte 2003 wurde jedoch klar, dass die ungarische Wirtschaft durch entsprechende Maßnahmen auf den gesunden Pfad der Wettbewerbsfähigkeit zurückgebracht werden muss. Der erneute Kurswechsel erforderte zwar Opfer, doch scheinen die sich bessernde weltwirtschaftliche Umgebung, die EU-Mitgliedschaft und die weiterhin klaren mikrowirtschaftlichen Vorteile Ungarns eine gute Grundlage für diesen Wechsel und für ein nachhaltig starkes Wachstum zu bieten. Zeichen dafür sind die in Europa zur niedrigsten gehörende Arbeitslosenrate (6 Prozent), der erhebliche Rückgang der Inflationsrate (auf 5 Prozent) und die ständige Modernisierung der Produktionsstruktur. Auch wenn sie die Kapitalbilanz »verschlechtert«, kann man die Belebung der Tätigkeit ungarischer und in Ungarn tätiger Unternehmen im Ausland, insbesondere in der südosteuropäischen Region, positiv bewerten.
    Eine bevorstehende wirtschaftspolitische Priorität umfasst die Wiederherstellung eines stabilen Budgets, die zweite Phase des wirtschaftlichen Aufholprozesses – in Kooperation mit dem internationalen Kapital und der raschen und effizienten Absorbierung der verfügbaren EU-Gelder. Die Mitgliedschaft in der EU hat sich schon kurzfristig als ein Wachstumsmotor erwiesen, auch wenn sich die volle Wirkung erst mit einer gewissen Zeitverschiebung manifestiert. Die eigentliche Gefahr für das nachhaltige Wachstums und den kontinuierlichen Modernisierungsprozess liegt in der ungarischen Innenpolitik und in dem in den letzten Jahren durch zahlreiche Politiker – bewusst oder unbewusst – unterbrochenen positiven Mentalitäts- und Verhaltenswandel bestimmter Kreise der ungarischen Gesellschaft.
2.3 Grundfragen der euro-atlantischen Integration
    Ungarn hegte seit Beginn der Transformation ein vitales Interesse, mit den beiden euro-atlantischen »Ankern« verbunden zu sein. Dabei stellt die NATO den sicherheitspolitischen Anker und die EU den Anker der wirtschaftlichen Modernisierung dar.
    Die NATO bedeutet für Ungarn die notwendige Sicherheitsgarantie angesichts der veränderten globalen und europäischen Machtverhältnisse. Die ungarische Bevölkerung hat ihre Entschlossenheit für eine NATO-Mitgliedschaft auch im Rahmen eines Referendums im November 1997 bekundet. Im März 1999 erfolgte Ungarns Aufnahme, zusammen mit Polen und der Tschechischen Republik, in das nordatlantische Bündnis.

    Die Mitgliedschaft in der erweiterten Union ist und bleibt in den nächsten Jahren die Priorität der ungarischen Politik. Im letzten Jahrzehnt erfolgte eine rasche Heranführung Ungarns an die EU-Strukturen. Darüber hinaus konnte sich Ungarn an mehreren Ausbildungs- und Forschungsprogrammen der EU beteiligen und die Arbeit der Gemeinschaft in mehreren Bereichen unmittelbar erfahren, sogar in einigen Feldern mitwirken (Konvent, Europäisches Parlament). Einer der kurzfristigen Erfolgsindikatoren der Mitgliedschaft wird es sein, wie schnell und effizient sich Ungarn in die EU-Strukturen einbinden kann und wie es als kleines Land seine Stimme und seine Interessen und Ziele in der

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