Europa nach dem Fall
Weltbühne. Auch andere Kontinente könnten vom Unglück getroffen werden. Natürlich könnte woanders eine große Zahl kosmischer Katastrophen passieren. Einige sind in Science-Fiction-Romanen beschrieben worden, andere sind in einer kürzlich erschienenen Arbeit von Richard Posner ( Catastrophe; Risk and Response , 2005) aufgelistet und besprochen worden. Sie reichen von einer Pandemie über einen Kometeneinschlag und die globale Erwärmung bis hin zum Bioterrorismus. Doch es besteht die Möglichkeit, dass in diesem Fall auch Europa betroffen wäre – und da bliebe kein Raum mehr für Schadenfreude.
Der chinesische Riesenwirtschaftsboom mag aufgrund des Vetternkapitalismus und Chinas unzureichender Infrastruktur sowie seines öffentlichen Gesundheitssystems zum Stillstand kommen oder zumindest nachlassen; wenn der Staat sich weiter politischen Reformen widersetzt, könnte das zu einer Entfremdung von den Massen führen. Der indische Boom könnte aus einer Reihe von Gründen ein plötzliches Ende finden. Nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung hat bisher davon profitiert, was zu enormen Ungleichheiten zwischen Reich und Arm und zwischen Stadt und Land geführt hat, und das könnte zu einem erbitterten altmodischen Klassenkampf und politischen Zusammenstößen führen. Die gewaltige Wirtschaftskraft der USA ruht, wie nur zu deutlich geworden ist, auf unsicheren Fundamenten, angefangen mit der großen Verschuldung des Landes. Es hat außenpolitische Rückschläge und ein Anwachsen innerer Spannungen gegeben.
All diese Katastrophen könnten eintreten, aber Europa könnte davon nicht profitieren. Seine Wirtschaft ist zum großen Teil exportorientiert, und wenn der heimische Markt weiter schrumpft, wird das in Zukunft umso mehr gelten. Rückschläge bei den bedeutenderen Exportmärkten würden in Europa fast sicher eine weitere Krise auslösen.
Unkontrollierte Zuwanderung war, um es nochmals zu wiederholen, nicht der einzige und nicht der Hauptgrund für den Niedergang Europas. Die Bedrohung dadurch ist keine unmittelbare, sondern eine langfristige. Doch in Verbindung mit all den anderen Misshelligkeiten führt das zu einer profunden Krise. Es könnte ein Wunder nötig sein, um Europa aus diesen Verstrickungen zu lösen.
Entvölkerung
Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob die europäische Einigung in den kommenden Jahren einen großen (oder überhaupt einen) Fortschritt machen wird. Noch bis vor Kurzem ist die künftige EU-Erweiterung weithin diskutiert worden. Die Grundsatzerklärung zur »Ostpartnerschaft« (2009), die sechs ehemalige Sowjetrepubliken, unter ihnen die Ukraine und Georgien, einschließen sollte, besagte, dass sie politische und sozioökonomische Reformen unterstützen sollte, um eine Annäherung an die EU zu erleichtern. Doch eine solche Annäherung würde in Moskau kaum Begeisterung auslösen und die führenden EU-Staaten wollten sich auch nicht die innen- wie außenpolitischen Probleme dieser sechs Länder aufhalsen lassen. Es ist daher nicht zu erwarten, dass in der nahen Zukunft noch viel von der »Ostpartnerschaft« zu hören sein wird.
Mit einiger Exaktheit vorherzusehen sind aber die demografischen Probleme. Diesen werden wir uns zuerst zuwenden. Sogar Bevölkerungsprognosen beruhen auf bestimmten Annahmen, und laut dem französischen Demografen Chesnais unterlaufen Demografen, die für Organisationen wie zum Beispiel die UNO arbeiten, oft Fehler, weil sie im Bemühen, keinen Schock auszulösen, zu sehr auf politische Korrektheit und günstige Prognosen achten und daher die politischen Auswirkungen herunterspielen. Schätzungen von individuellen Experten sind oft verlässlicher.
Doch sogar die Prognosen der UNO, die auf der Annahme beruhen, dass die Geburtenrate in Europa in den kommenden Jahren ansteigt, besagen, dass bis zum Jahr 2050 die alte Europäische Union 60 Millionen weniger Einwohner haben wird und dass ganz Europa inklusive Russland um 130 Millionen abnehmen wird. Wichtiger ist aber noch, dass nach 2050 die Bevölkerung weitaus schneller abnehmen wird, weil bis dahin das Durchschnittsalter viel höher sein wird. In Deutschland werden zum Beispiel nur noch halb so viele Kinder geboren werden wie heute. Wenn man die weitere Einwanderung nach Europa nicht einrechnet – und es spricht alles dafür, dass die Einwanderung sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen (Arbeitslosigkeit) abnehmen wird –, werden Staaten mit einer niedrigen Geburtenrate wie
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