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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Laqueur
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Italien und Spanien merklich geschrumpft sein, worauf ich schon hingewiesen habe.
    Eine solche Schrumpfung lässt sich heute schon in Teilen Europas beobachten. In Russland haben zum Beispiel schon Tausende von Dörfern aufgehört zu existieren, nicht zu erwähnen der Exodus aus Sibirien und anderen Teilen Nordrusslands. In Spanien begann schon in der Zeit nach Franco die Landflucht, die auch Andalusien und sehr arme Regionen wie die Estremadura betraf und die in den letzten Jahren rasch zugenommen hat. Bemühungen, Neueinwanderer in verlassenen Dörfern anzusiedeln, sind fehlgeschlagen. Es gibt eine beträchtliche Zuwanderung von Lateinamerikanern (speziell Ecuadorianer und Kolumbianer) nach Spanien, aber diese Menschen ziehen in die Städte, wo es besser bezahlte Stellen gibt.
    Im Vereinigten Königreich haben Manchester und Newcastle in den letzten 40 Jahren 20 Prozent ihrer Bevölkerung verloren. Etwa 100 000 Menschen pro Jahr verlassen London. Während in London die Immobilienpreise noch astronomisch sind, können in den Innenstädten in den Midlands und im Norden, wo die alte, traditionelle Industrie verschwunden ist, Häuser für so gut wie nichts erworben werden. Besonders in diesen Gebieten existieren große muslimische Gemeinschaften.
    In Deutschland hat der Bevölkerungsschwund speziell den Osten erfasst, wo die jüngeren Leute weggezogen sind. In den letzten Jahren sind 2000 Schulen geschlossen worden, es gibt nur noch wenige Geschäfte und noch weniger Ärzte, daher scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis in vielen Dörfern auch noch die Letzten wegziehen. Doch die Schrumpfung ist nicht nur auf das Land begrenzt. Die Zahl der Einwohner in Kleinstädten und einigen mittleren Städten sinkt ebenfalls rapide. Die Immobilienpreise fallen und hie und da sind verlassene Straßen zu sehen. Halle, Rostock, Cottbus und Magdeburg haben im letzten Jahrzehnt 16 bis 20 Prozent ihrer Bewohner verloren, darunter vor allem die aus der jungen Generation.
    Wer wird sich um die alternde Bevölkerung kümmern? Wer wird in der Wirtschaft arbeiten, um das ökonomische Wohlergehen des Landes zu sichern, damit den Senioren noch weiter ihre Renten ausbezahlt werden können und das Gesundheits- und Sozialsystem aufrechterhalten werden kann? Es wurde einmal angenommen, dass Osteuropa diese Arbeitskräfte stellen würde, doch der Zustrom aus dem Osten war gering und wird noch weiter austrocknen, weil die Geburtenraten in Osteuropa so niedrig sind wie im Westen (eigentlich noch niedriger).
    Ein großes und wachsendes Heer junger Arbeitsloser wartet in Nordafrika und im Nahen Osten, etwa 25 Prozent, und das Bevölkerungswachstum läuft dem Wirtschaftswachstum davon. Etwa 100 Millionen Arbeitsstellen werden in den nächsten zehn Jahren benötigt werden, um dieses Problem zu lösen, aber sie zeichnen sich nicht ab. Das Problem der Arbeitslosigkeit in Nordafrika und dem arabischen Osten (der »Jugendbauch«) ist eine Zeitbombe genannt worden, und die Frage ist, ob sie im Nahen Osten, in Europa oder gar in beiden Gebieten explodieren wird.
    Einmal abgesehen von politischen Erwägungen, wäre es sinnlos, Einwanderer aus diesen Gebieten einzuladen, außer sie wären bestens qualifiziert, wenn gleichzeitig die Arbeitslosigkeit unter jungen Muslimen in Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Ländern 30 bis 40 Prozent beträgt. Die Anwesenheit von unqualifizierten und nicht vermittelbaren jungen Arbeitskräften, denen manchmal auch Antrieb und Motivation fehlen, würde die bestehenden ethnischen Spannungen nur verschlimmern, ohne dabei zu helfen, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme Europas zu lösen.
    Südasien, Südostasien und die ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken könnten sich als Arbeitskraftreservoir besser eignen. Doch bislang haben europäische Staaten sich wenig darum bemüht, Einwanderer aus diesen Gebieten anzulocken, und es ist auch nicht sicher, wie viele qualifizierte Arbeitskräfte und Techniker bereit wären, zu einer Zeit nach Europa zu ziehen, in der die Wirtschaft in ihren eigenen Ländern an Fahrt gewinnt. Deutschland hat kurzzeitig versucht, Computerexperten aus Bangalore und anderen Zentren der Hightechindustrie in Indien anzuwerben. Doch die deutschen Angebote waren nicht so sehr attraktiv, daher gab es wenig Bewerber. Spanien erneuerte eine Zeit lang sein Interesse an Einwanderern aus Lateinamerika; in den vergangenen Jahren waren Zehntausende gekommen, insbesondere aus Ecuador und

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