Europa nach dem Fall
Kolumbien. Doch das war, bevor die Arbeitslosenrate in Spanien auf beinahe 20 Prozent gestiegen war.
Wie wahrscheinlich ist ein Anstieg der Geburtenrate in den europäischen Ländern? Sie ist während der letzten 150 Jahre gesunken, daher erscheint eine Umkehr nun unwahrscheinlich. Die Diktaturen in den 1930er-Jahren und der Sowjetkommunismus versuchten, über verschiedene Prämien und Anreize die Geburtenrate zu erhöhen, doch ohne durchschlagenden Erfolg. In Russland wurde vorgeschlagen, dass Angehörige von Familien mit Kindern bevorzugt in den Staatsdienst aufgenommen werden sollten. In Frankreich und Schweden hat eine familienfreundliche Gesetzgebung (längerer Erziehungsurlaub nach der Geburt) zu einem leichten Anstieg der Geburtenrate geführt, und es ist zu erwarten, dass andere Staaten diesem Beispiel folgen werden. Doch selbst in Frankreich und Schweden liegt die Geburtenrate unter der Reproduktionsrate. Die Geburtenrate stieg 2010 in Frankreich auf 2,0 an, doch es wurde nicht ausgewertet, in welchen Bereichen der französischen Gesellschaft dieser plötzliche Anstieg stattfand. Kurzum, da sich bis auf unvorhersehbare Entwicklungen nichts abzeichnet, wird sich der vorherrschende Trend nicht wesentlich umkehren.
Die Geburtenraten in China, Japan und seit Neuestem auch in Indien haben sich ebenfalls signifikant verringert, und das Gleiche wird schließlich auch im Nahen Osten und in Nordafrika passieren. Es scheint ebenso sicher, dass die Geburtenrate der Einwanderergemeinschaften in Europa, derzeit deutlich höher als die der einheimischen Bevölkerung, absinken wird. Doch die Auswirkung dieser Absenkung wird erst in einer oder zwei Generationen spürbar werden, nicht während des nächsten Jahrzehnts, da die Wachstumsrate der Einwanderer zumindest noch eine Generation lang beträchtlich höher ausfallen wird.
Mehr als ein Jahrzehnt lang hat der Begriff »Eurabien« für viel Aufsehen gesorgt. Er verweist darauf, dass bei einer Fortsetzung der gegenwärtigen Trends Europa nach zwei oder drei Generationen eine Erweiterung von Arabien (oder Nordafrika) sein wird. Andere haben aber behauptet, dass es solche Trends gar nicht gebe und dass die Verwendung dieses Begriffs entweder propagandistisch motiviert oder einer fieberhaften, Panik schürenden Phantasie verhaftet sei. »Eurabien« ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein irreführender Begriff, schon allein aufgrund der breiten Vielfalt muslimischer Gemeinschaften in Europa. Muslime sind in Deutschland zumeist Türken (oder Kurden), in Großbritannien Pakistaner oder Bangladescher, in Frankreich Nord- oder Westafrikaner, in den Niederlanden Türken oder Marokkaner, und in Russland gibt es Türken, Perser, Kurden und noch viele andere – aber gewiss keine Araber.
Es mag jedoch dienlich sein, daran zu erinnern, dass diejenigen, die sich über die Verwendung dieses Begriffs aufregen, nicht zu wissen scheinen, dass er nicht westlichen, sondern muslimischen Ursprungs ist. Unter arabischen Schriftstellern und anderen Personen des öffentlichen Lebens kursiert schon lange die Vorstellung, dass Muslime in Europa die Mehrheit stellen werden. Als frühes Beispiel mag die Rede von Houari Boumedienne, dem damaligen Präsidenten Algeriens, 1974 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen dienen, in der er darlegte, dass angesichts der hohen Geburtenrate muslimischer Frauen (und der niedrigeren europäischer Frauen) eine solche Entwicklung mehr oder weniger unausweichlich sei.
Als neueres Beispiel möchte ich Muammar al-Gaddafi, den ehemaligen Staatschef Libyens anführen, der in einem am 8. Juni 2010 in Al Shams veröffentlichten Artikel schrieb, dass Statistiken über die Anzahl von Muslimen in Europa unkorrekt seien und dass ihre Zahl viel höher als offiziell angegeben sei; die Muslime würden sich Europa einverleiben und die Türkei würde der EU als »Trojanisches Pferd« beitreten. Boumedienne und Gaddafi gehören nicht zu den ausgewiesenen Demografen unserer Generation, daher könnten ihre Vorhersagen leicht falsch sein. Aber es bedarf keiner Fachausbildung, um festzustellen, dass sich tatsächlich wichtige demografische Veränderungen in Europa ereignen.
Europäische Vereinigung
Nachdem die neue europäische Verfassung in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden war, beschloss Europa, sich eine längere Auszeit zum Nachdenken zu genehmigen – viel mehr hätte es auch nicht tun können. Einige sagten, dass eine neue Initiative zu engerer
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