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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Laqueur
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– oder für eine Übergangsperiode. Dieser Bund befasste sich hauptsächlich mit dem Handel, hatte sein eigenes Rechtssystem, umfasste viele Städte von Schottland in Nordeuropa bis Nowgorod im Osten und bot gegenseitige Hilfe und einige Sicherheit.
    Die schwächeren Länder werden selbst aussteigen oder ausgeschlossen werden. Sie werden auf sich gestellt mit der Zukunft fertig werden müssen oder – um in die Fußballsprache zu wechseln – sich locker zu einer zweiten Liga zusammenschließen in der Hoffnung, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder in die Champions League aufsteigen dürfen. Sie könnten den Existenzkampf in der Welt von morgen schwierig finden, in der zunehmend mehr Unwägbarkeiten und die Gefahr des Protektionismus lauern. Russlands Aussichten könnten bei all seinen Schwächen etwas besser sein, weil es ein Exporteur von Öl und Gas ist und die Nachfrage nach Energie in naher Zukunft wahrscheinlich nicht spürbar sinken wird. Doch es gibt sehr viel schwelenden Zündstoff und sogar explosive Konflikte in diesem Land, die von offiziellen großspurigen Verlautbarungen nur teilweise verdeckt werden. Russland ist nie ein verheißungsvolles Feld für politische Vorhersagen gewesen. Vielleicht wird nach einigen Jahren ein frischer Versuch zur Einrichtung einer neuen Europäischen Union gestartet werden, die in der Zielsetzung weniger ehrgeizig als die letzte sein wird. Es könnte aber im Gegenteil auch zu einer engen politischen Föderation kommen, wenn eine größere Krise ganz Europa befällt.
    Nach dem zweiten Szenario wird sich Europa von der gegenwärtigen Krise entweder ziemlich rasch oder wahrscheinlich eher mit der Zeit erholen. Das Vertrauen der Märkte wird wiederhergestellt sein, da das globale Wachstum Fahrt aufnimmt. Ein solches Szenario mag derzeit ganz unwahrscheinlich wirken, aber Wunder geschehen. Aus uns derzeit noch unerfindlichen Gründen wird Europa wieder Auftrieb bekommen. Seine Partner (und Rivalen) könnten plötzlich von ernsthaften Problemen heimgesucht werden, die ihr Vorankommen behindern. Doch es ist überhaupt nicht klar, ob und wie Europa vom Unglück anderer profitieren würde. Unverbesserliche Optimisten gehen noch weit über die Perspektive einer bloßen Erholung hinaus. Sie glauben, dass Europa eine zunehmend wichtigere Rolle in der Welt spielen wird, dass seine zivile Macht ungeheuer sein wird und dass die globale Zukunft zivilen Mächten gehört, die über alles, mit Ausnahme von militärischer Macht, verfügen. Vielleicht wird sich die Menschheit, wie einige Futuristen vorhersagen, in eine klügere Spezies verwandeln, was sich auch auf Europa und die neuen Europäer auswirken wird. Das ist unter Eingeweihten als die postbiologische Ära, das Zeitalter der Singularität, bekannt. Doch sie räumen ein, dass dies aller Wahrscheinlichkeit nach nicht im nächsten oder übernächsten Jahr passieren wird.
    Zuletzt erscheint das Rezept, das auf längere Sicht den geringsten Erfolg verspricht, aber höchstwahrscheinlich befolgt werden wird, als der anscheinend schmerzfreieste Ausweg – einige Prisen Reform und eine Prise vom üblichen Geschäftsablauf. Es scheint in der Geschichte ein verborgenes Gesetz zu geben, wonach Institutionen, wenn sie einmal bestehen, zum Selbstläufer werden und wider alle Erwartungen weiterbestehen, zumindest viel länger als erwartet. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die EU am Ende einen Zusammenbruch erleben, aber es gibt immer ein retardierendes Moment. Einige amerikanische Wirtschaftsforscher haben verkündet, dass die Europäische Union einfach deshalb fortbestehen wird, weil der Austritt zu teuer wäre.
    Jean Monnet, der leitende Architekt der EU, wurde an früherer Stelle in dem Sinne zitiert, dass Krisen in der Geschichte Zusammenhalt schaffen. Individuen und Gruppen entscheiden sich erst dann zu engerer Zusammenarbeit, wenn sie vor einer unmittelbaren Gefahr stehen. Es scheint daher einigermaßen offensichtlich, dass nur eine größere Krise den Antrieb liefern würde, der nötig ist zu einem größeren Schritt nach vorn auf dem Weg zur europäischen Einheit auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet und zu einer gemeinsamen Außen-, Verteidigungs- und Energiepolitik. Die Rezession von 2008 war offenbar nur ein kleinerer Schock und seine politischen Auswirkungen waren nicht traumatisch genug.
    Diese Rezession hatte dennoch eine gewisse Auswirkung, insofern als sie Deutschland und Frankreich dazu brachte, einen Stabilitätsfonds

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