Europa nach dem Fall
kommenden Jahrzehnten der Bevölkerungsanteil der jungen Leute schrumpfen, weshalb der Kontinent aufgrund der niedrigen Fruchtbarkeitsrate bei gleichzeitig höherer Lebenserwartung altern wird. Laut EU-Prognosen wird nach 2015 in ganz Europa die arbeitsfähige Bevölkerung abnehmen; in einigen Ländern ist der Prozess bereits im Gange. Gleichzeitig wird die Zahl älterer Menschen (über 65) ziemlich bald doppelt so hoch sein wie jetzt. Schon 2030 wird ein Viertel der Bevölkerung Europas über 65 Jahre alt sein. Das wird nicht nur den Druck auf die europäischen Gesundheitssysteme und die Rentenkassen erhöhen, sondern es bedeutet auch, dass eine weitaus kleinere Anzahl junger Menschen für das Wohlergehen einer weitaus größeren Gruppe älterer Menschen wird arbeiten müssen, wenn der europäische Lebensstandard erhalten werden oder zumindest dessen rapide Absenkung vermieden werden soll. Somit besteht die düstere Aussicht, dass der Generationenvertrag durch einen Generationenkonflikt ersetzt werden wird, insbesondere wenn die junge Generation zu einem erheblichen Anteil aus Einwanderern oder deren Kindern besteht und auch noch die Last des Schuldenbergs zu tragen hat, der durch die Wirtschaftspolitik der älteren Generationen angehäuft wurde.
Die Einwanderer kommen, etwas salopp ausgedrückt, nach Europa, nicht um für das Wohlergehen älterer Europäer zu arbeiten und (aus ihrer Sicht) ausgebeutet zu werden, sondern um Arbeit zu finden und die Segnungen eines Wohlfahrtsstaats zu genießen. Schon in den letzten Jahren hat es in Griechenland, Italien, England und Frankreich ein spontanes Aufbegehren der jungen Leute gegeben, das zu Unruhen führte. Solche Revolten sind zuweilen auch im 19. und 20. Jahrhundert in Europa vorgekommen, doch da handelte es sich um vorwiegend politisch und nicht sozial motivierte Aufstände.
Ein ähnliches Schrumpfen der arbeitsfähigen Bevölkerung wird in den meisten Teilen der Welt erwartet, ausgenommen Afrika und der Nahe Osten, doch das bietet Europa wenig Trost. Wird die nationale (oder europäische) Solidarität stark genug sein, um diesem Druck in den kommenden Jahren standzuhalten? In anderen Gegenden der Welt sieht es nicht anders aus. Die Volkszählung 2010 in den USA ergab, dass es in zehn Staaten eine Mehrheit »nicht-weißer« Jugendlicher gibt, doch in diesem Fall ist die sich entwickelnde neue Mehrheit heterogen, wobei die Latinos schneller zunehmen als die Schwarzen. Das heißt aber nicht, dass die Minderheit die Mehrheit bilden wird, sondern eher, dass es in den kommenden Jahren mehrere Minderheiten geben wird.
Einige Demografen, um es noch einmal zu wiederholen, sagen voraus, dass größere europäische Städte wie Birmingham, Amsterdam, Brüssel, Köln und Marseilles in nicht allzu ferner Zukunft eine nicht-einheimische Mehrheit haben werden, und das trotz der ebenfalls abnehmenden Geburtenrate in den Migrantengemeinschaften.
Eine schrumpfende und ergrauende Bevölkerung hat zweifellos auch ihre guten Seiten. Wenn die zum Kampf einsatzbereite jüngere Generation nicht mehr so groß ist, werden Kriege zwischen Nationen unwahrscheinlicher. Es wird weniger Arbeitslosigkeit und weniger Staus auf den Straßen geben. Andererseits könnten interethnische Auseinandersetzungen zunehmen. Sogar Spannungen innerhalb der Migrantengemeinschaften könnten sich intensivieren. Die in Europa ansässigen Gemeinschaften werden kein Interesse daran haben, die Tore des Kontinents weit zu öffnen, weil ihnen bewusst sein wird, dass ein unkontrollierter Zustrom zu einer ziemlich raschen Abnahme ihres Einkommens und ihres Lebensstandards führen wird. Das aufrechtzuerhalten wird ohnehin schwierig sein, da die einheimische Bevölkerung, die für einen relativ hohen Lebensstandard gesorgt hat, ja schrumpft. Außerdem könnten ideologische Reibungspunkte entstehen zwischen orthodoxen Islamisten und einer jüngeren Generation, die angesichts der vielen Verlockungen des Westens ihre eigenen Wege gehen möchte.
Auch wenn es heute unwahrscheinlich klingt, so könnten einige dieser neuen Europäer durchaus zu standhaften Verteidigern ihres Reviers und sogar der europäischen Werte werden. Eine Entwicklung, bei der die junge Generation der muslimischen Migranten ihren Traditionen den Rücken kehren wird, während die Vätergeneration an ihren religiösen Leidenschaften festhält, erscheint unausweichlich, auch wenn niemand vorhersagen kann, wie rasch das eintreten wird.
Wie wird das künftige
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