Europa nach dem Fall
Handelsbilanz für Europa leicht verbessert hat, exportieren die Chinesen immer noch weitaus mehr nach Europa, als sie von dort importieren. Die EU beklagte sich über Handelshemmnisse in China wie auch über die Missachtung von geistigen Eigentumsrechten, Wirtschaftsspionage (besonders in Deutschland) und zahlreiche diskriminierende protektionistische Maßnahmen. Doch bei all den Klagen blieb China der drittgrößte Exportmarkt für Europa. China war ein Kunde, den Europa nicht so ohne Weiteres vor den Kopf stoßen konnte zu einer Zeit, da andere Exportmärkte auf der Kippe standen.
All das erklärt den dramatischen Wandel in Ton und Inhalt innerhalb weniger Jahre. Europäische Staatsbeamte leisteten dem chinesischen Nationalismus Vorschub, der den Kommunismus als Hauptsäule in der offiziellen Ideologie ersetzt hatte. Die meisten europäischen Regierungen wie auch die EU-»Außenministerin« hatten keine Bedenken, sich sehr aktiv am Aufbau der chinesischen Streitkräfte zu beteiligen. In diesem Zusammenhang auf Demokratisierung und Menschenrechte zu dringen würde nur die Beziehungen zwischen Europa und China beschädigen. China war viel stärker und Europa schwächer geworden. Doch gleichzeitig kann es der Aufmerksamkeit der EU nicht entgangen sein, dass China mehr vom Austausch profitierte als Europa. China eignete sich europäische Technologien an und überschwemmte durch die viel billigeren Produktionskosten die Weltmärkte. Einzelne europäische Konzerne wie Nokia und Daimler, aber auch viele andere haben bereits unter den Folgen gelitten, und weitere werden noch folgen. Mit anderen Worten, die europäischen Exporte nach China, die in Zeiten der Krise höchst willkommen waren, können nicht in der Form fortgedacht werden, geschweige denn in Zukunft noch anwachsen, da die Chinesen sich oft klammheimlich das europäische Know-how aneignen.
Die EU-Führung hat früher Chinas Potenzial ignoriert oder unterschätzt, neigte aber später dazu, Chinas Aussichten überzubewerten, und war sich nicht hinreichend klar über Chinas Schwächen. Es steht kaum zu bezweifeln, dass die chinesische Wirtschaft sich zur weltgrößten entwickeln wird und dass Chinas Gewicht in Weltangelegenheiten politisch und militärisch ebenfalls anwachsen wird. Doch es ist genauso klar, dass die Chinesen einen hohen Preis dafür zahlen werden. Vorhersagen von Wirtschaftsexperten reichen vom bevorstehenden Kollaps bis hin zur Feststellung, dass China von allem das meiste hat und produziert und alles Erstrebenswerte im Rest der Welt aufkauft.
Es kann als gesichert gelten, dass der Unterschied zwischen Reich und Arm in China ungeheuer bleiben wird und dass China, auch wenn sich unterschiedliche Interessengruppen herausschälen werden, keine Demokratie sein wird und auch keine werden will. Für chinesische Ideologen dient die europäische Demokratie als Abschreckung, weil Demokratie zu Schwäche und nicht zu Macht führt. Genauso wenig ist der Tatbestand des europäischen Kolonialismus in China, der mit dem Opiumkrieg begann, vergessen. Die chinesische Kontrolle über die Minderheitenregionen Tibet und Xinjiang wird sich ohne große Schwierigkeiten aufrechterhalten lassen, weil es so viel mehr Han-Chinesen als Tibeter und muslimische Uiguren gibt, und früher oder später wird China sich Taiwan einverleiben.
Wie weit werden sich Chinas imperiale Ambitionen erstrecken? Nach historischer Erfahrung und trotz aktuell starker nationalistischer und rassischer Strömungen, trotz verfrühter Überheblichkeit und Siegesgewissheit, trotz größerer, durch minimale internationale Zwischenfälle ausgelöste Zerwürfnisse (wie 2010, als es zu einem hitzigen Disput über Seefahrtsrechte bei zwei Inseln kam, die sowohl China als auch Japan für sich beanspruchten) ist die chinesische Führung eigentlich nicht an der Okkupation anderer Länder interessiert. Sie will eher Stabilität als die Weltherrschaft, doch Stabilität nach von China festgelegten Vorgaben, die dem Land mittels einer habgierigen Handelspolitik den größten Vorteil sichern. Das hat zu Instabilität geführt, die sich noch verstärken wird, indem der Handel durch künstliches Währungsdumping verzerrt wird. Kurzum, China und der Rest der Welt befinden sich auf Kollisionskurs. China behauptet, im Interesse aller Asiaten zu handeln, doch die Asiaten haben bislang von diesen Handlungen nicht profitiert. China verkündet, es wolle internationale Harmonie erzeugen, doch bis jetzt sind die
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