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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Laqueur
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nicht leicht haben, ihren Einfluss auf die Balkanländer zu verstärken, die sie jahrhundertelang beherrscht hatte. Davuto ğ lus Politik ist eher neo-osmanisch als islamistisch geprägt; die Mullahs in der Türkei haben keinen entscheidenden Einfluss auf die Außenpolitik.
    Die Macht der Türkei und die zukünftigen Aussichten sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht sollten nicht überbewertet werden. Dazu (und allgemein zu einer Arroganz) besteht aufseiten der AKP-Führung eine starke Neigung. Die Vorhersagen, denen zufolge die Türkei im Jahr 2050 die zweitgrößte Wirtschaft in Europa sein wird, scheinen unter anderem den türkischen Bildungsstand zu übersehen, der in Europa so ziemlich der niedrigste ist. Ohne eine radikale Verbesserung auf diesem Gebiet erscheinen große Fortschritte in der Wirtschaft unwahrscheinlich.
    Der wachsende Einfluss der Türkei hängt in beträchtlichem Maß davon ab, ob das Land als Brücke und vielleicht als Vermittler zwischen »Ost« und »West« fungiert. Das Abbrechen aller Brücken zu Europa und die völlige Eingliederung in den »Osten« wären ganz gegen die Interessen des Landes und würden seine internationale Position schwächen. Vielleicht könnte die Türkei als Vorbild für die arabische Welt dienen, aber wollen die Araber ein solches Vorbild? Vielleicht könnte sie Kriege im Nahen Osten verhindern. Doch das ist bei Weitem nicht sicher. Es könnte sehr gut sein, dass ein Beitritt zur EU einen mäßigenden Einfluss auf innertürkische Entwicklungen hätte – auf sehr lange Sicht.
    Ob all das auf kurz- und mittelfristige Sicht im Interesse der EU wäre, ist mehr als zweifelhaft. Das Interesse der Türkei besteht darin, den eigenen Einfluss auszuweiten, und nicht darin, europäische Werte zu verbreiten, und auch nicht darin – um die vier Außenminister zu zitieren –, »europäische Interessen zu vertreten«, sondern eher die eigenen. Wer könnte die Türken verurteilen, da alle anderen europäischen Länder sich ähnlich verhalten haben? Die Vision eines kommenden Europas, wie sie in der Grundsatzerklärung der vier Außenminister ausgedrückt ist, scheint hauptsächlich auf wirtschaftlichen Interessen zu beruhen, also dem ungehinderten Austausch bei Kapital, Handel und Energienetzwerken, wobei Rechtssicherheit, Menschenrechte und europäische Werte erst an zweiter Stelle kommen, Faktoren, die, wenn möglich, nicht zu offenkundig hinausposaunt werden sollten und gewiss nicht entscheidend wären. Vielleicht sieht so die Zukunft aus – wenn ein vereintes Europa überlebt. Doch es ist wirklich zu optimistisch, zu glauben, dass ein solcher gemeinsamer ökonomischer Wirtschaftsraum eine wichtige Rolle in der internationalen Politik spielen könnte. Auf welche außenpolitischen Fragen könnte er sich einigen und welche Ziele würde er verfolgen?

Chinas Schatten – und Präsenz
    Chinas Beziehungen zur EU haben durch das rasche Wachstum der chinesischen Wirtschaft im letzten Jahrzehnt enorm an Bedeutung gewonnen. Seit den Reformen von 1978 ist das chinesische Bruttosozialprodukt jährlich um etwa 10 Prozent gewachsen, eine beispiellose Entwicklung in der modernen Wirtschaftsgeschichte. Europa ist nun Chinas größter Kunde und hat die Vereinigten Staaten überholt. Chinesische Touristen in Frankreich geben nun mehr Geld aus als die Touristen aus allen anderen Ländern, und 30 bis 50 Prozent der Luxusgüter in Deutschland, Frankreich und Italien werden nun von Kunden aus China gekauft, die inzwischen die Kunden vom Persischen Golf und die Neureichen aus Russland weit hinter sich lassen.
    Die chinesische Politik ist selbstbewusster geworden. Bis zur Jahrhundertwende betrachtete sich China in erster Linie als Regionalmacht, doch das änderte sich, als den Machthabern in Beijing der enorme Bedarf an Öl, Gas und vielen anderen Rohstoffen – eine Vorbedingung für weiteres Wachstum – deutlich wurde.
    Die EU-Politik gegenüber China ist als bedingungsloses Engagement bezeichnet worden, »eine Politik, die China Zugang zu allen Vorteilen der Zusammenarbeit mit Europa gewährt, während sie im Gegenzug wenig verlangt … Die Ergebnisse sprechen für sich.« Die zitierte Studie stellt des Weiteren fest, dass China die EU mit so etwas wie diplomatischer Verachtung behandelt. Die Chinesen wissen, dass die EU schwach ist, politisch gespalten und militärisch nicht existent. Die Chinesen denken, dass die EU China nötiger hat als China die EU.
    Europäische

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