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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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zu sein als bei den anderen sowjetischen Generälen, die mit müde zurückgelegten Köpfen triefäugig in die Kamera glotzten. Wlassow war eine steife Vogelscheuche, ganz in sich versunken.
    Wir garantieren, dass man Ihnen bei Kriegsende die Pension eines russischen Generalleutnants gewähren wird …
    Aber ich …
    Hören Sie mal, Freundchen, wissen Sie nicht, wen Sie da unterbrechen? Und in nächster Zukunft werden Sie sich weiter Schnaps, Zigaretten und Frauen widmen. Das Problem, Wlassow, ist Folgendes. Wir können unsere Verteidigung nur politisch verlässlichen Elementen anvertrauen. Nun, in der gegenwärtigen Lage kann man euch Slawen, bei allem Respekt, wirklich nicht bewaffnen und alleine losschicken,
und bis die Front verkürzt wird, haben wir einfach nicht genug Soldaten, euch Rückhalt durch Deutsche zu geben …
    Unser Schicksal im Falle einer Gefangennahme durch sowjetische Truppen sollte Ihnen Absicherung genug sein!
    Ach, da sind wir uns nicht so sicher. Sie haben schon einmal die Seiten gewechselt, vielleicht machen Sie es wieder. Die andere Möglichkeit wäre, euch Russen alle zu Buddhisten umzumodeln. Sehen Sie, Buddhisten sind Pazifisten, die machen keinen Ärger.
    Herr Reichsführer, man hat mich informiert, dass Sie bereits-Brigaden aus Balten haben und sogar Moslems vom Balkan eingezogen haben …
    Ganz recht, aber deren Blut ist unserem nicht ganz so fremd wie Ihres. Man muss bei diesen Dingen fürchterlich kaltblütig kalkulieren.
57 Verstehen Sie, bei der militärischen Gesamtlage …
    Was wir mit hundert Panther-Panzern erreichen könnten!, brach es aus Wlassow hervor.
    Himmler verstummte. Er hatte Angst. Die Angelsachsen standen kurz vor der deutschen Grenze.
    Wlassow versuchte, ihn aufzumuntern: Wissen Sie noch, wie Guderian mit dem Überqueren der Meuse der Ausbruch und die Umfassung der französischen und britischen Divisionen gelungen ist? Selbst heute kann uns das noch gelingen!
    Himmler war das egal. Himmler glaubte an nichts.
    Wlassow versuchte, ihn zu überzeugen, und sagte: Überall heißt es, dass die Deutschen an Geheimwaffen arbeiten: fliegenden Bomben, V-Waffen, Raketen und was weiß ich noch. Warum dann nicht auch ein paar slawische Armeen aufstellen?
    Der Reichsführer schüttelte den Kopf und antwortete: Wenn wir gegen euch Russen den Krieg verlieren, dann nur, weil unser Blut mit dem Judenvirus verseucht ist.
    Heidis Gesicht wurde hart, als er ihr davon berichtete. (Frauke war mit ihren kleinen Kameradinnen unterwegs, Altmetall sammeln für die Rüstung.) Sie setzten sich an den Küchentisch und fingen an, Schnaps zu trinken. Bald lag sie ihm schluchzend und sabbernd an der Schulter. Sie soffen sich nüchtern. Er murmelte: Na, ich hatte ja nicht gerade erwartet, dass er mir Brot und Salz anbietet …
    Werden Gäste in deinem Land so willkommen geheißen?
    Nur Deutsche, antwortete er bitter. Und nun nicht einmal mehr die!
    Sie saßen schweigend da, beide hatten sie Angst, etwas zu sagen, bis Wlassow ihnen schließlich helfen wollte, sich aus ihrer Vereinsamung zu lösen, sich räusperte, mit dem Finger den Glasrand abfuhr und sagte: Mach du dir keine Sorgen. Wenn es uns bestimmt ist, zu sterben, werden wir sterben. Sonst werden wir überleben, was auch geschieht.
    Alles ist Bestimmung, stimmte seine Frau feierlich zu. Mir wird schlecht.
    Ich bin noch immer überzeugt, dass ich einen Gegenangriff führen kann, mit tiefer Staffelung an beiden Flanken …
    Ich bin gleich wieder da, Andrej, und dann können wir …
    Aber Himmler …
    Das ist krankhaft!
    Natürlich! Aber was willst du von einem Untermenschen auch erwarten?
    Am 16.9.44 empfing Himmler ihn erneut. (Das Gerücht, Heidi habe das Treffen auf Vermittlung eines-Offiziers arrangiert, mit dem sie früher einmal geschlafen hatte, entbehrt vielleicht nicht jeder Grundlage.) Wlassow bat um zehn Divisionen. Himmler konnte ihm nur zwei versprechen, und die waren nicht einsatzbereit.
    Im Interesse der Reichssicherheit hatte Himmler bereits beschlossen, die Operation Skorpion zu vertagen. Wie er dem-Standartenführer Gunter d'Alquen gegenüber bemerkte: Wer zwingt uns, unsere Versprechen zu halten?
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    Natürlich muss man in der Politik der Wahrheit den allerpraktischsten (ich wollte sagen: vernünftigsten) Glanz verleihen. In jenen Herbsttagen des Jahres 1944 konnte selbst Wlassow die Konzentrationslager kaum noch leugnen, die in Rudeln erschossenen Geiseln, die reifbedeckten Frauenleichen, festgefroren an den

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