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marschieren können, um sie dort zu Tode schinden zu lassen! Aus der Mädchenschule, die nun sein Hauptquartier war (Kroeger hatte schon ein Plakat vonan die Wand gepinnt), funkte er den neuen Befehlshaber der Heeresgruppe Weichsel an.
Offen gesagt, Wlassow, ich verstehe nicht, warum ihr Russen überhaupt kämpfen wollt. Die Front geht den Bach runter, was machen zwei Divisionen da für einen Unterschied?
Bei allem Respekt, darum geht es nicht. Wir erbitten dringend Artillerieunterstützung, um …
Artillerie gibt es nicht. Greifen Sie doch in Wellen an. Ihr Russen seid dafür berühmt, dass ihr, Sie wissen schon, Stellungen überrennen könnt mit schierer …
Herr Generaloberst, die deutschen Kadetten, die das versucht haben, sind gestern alle ausradiert worden. Außerdem ist der Fluss über die Ufer getreten, was unsere Angriffsfront auf einhundert Meter verkürzt. Natürlich nimmt der Feind diese Stelle unter Beschuss …
Ich muss schon sagen, nach allem, was wir für Sie getan haben, wäre ein wenig mehr Enthusiasmus … Haben Sie denn einen Vorschlag?
Luftunterstützung …
Ganz außer Frage. Sie leben in der Vergangenheit, Wlassow. Ich befehle Ihnen, diesen Brückenkopf ohne weitere Verzögerung unschädlich zu machen.
Ich bin Ihnen nicht unterstellt, Herr Generaloberst Heinrici.
Oho! Jetzt kommt's raus! Sehen Sie, ich wusste, dass Sie ein unsicheres Element sind! Glauben Sie ja nicht, dass ich das nicht weitergeben werde! Sie weigern sich also, die deutsche Befehlsgewalt anzuerkennen?
Dem Prager Manifest zufolge sind wir formal Ihre Verbündeten. Unser Status ist …
Damit können Sie sich den Arsch abwischen! Entscheidend ist, können Sie etwas gegen diese Russenstellung unternehmen oder nicht?
Wlassow war der Ausgang dieser Sache inzwischen egal und er sagte: Können Sie uns wenigstens mit Munition versorgen?
Die müssen Sie beim Feind erbeuten.
Ohne adäquate Unterstützung ist die Operation zwecklos. Erbitte Erlaubnis, meine Leute an eine andere Front abzuziehen.
Ich werde das bei Himmler zur Sprache bringen müssen, sagte Heinrici kurz.
Wie Sie wünschen. Guten Tag, Herr Generaloberst.
Heil Hitler!
Die Unterhaltung war beendet. Wlassow zündete sich eine Zigarette an. Sein Stellvertreter Scherebkow, dem er schon befohlen hatte, mit den Westmächten eine Einigung zu suchen, tauschte mit ihm ein wissendes, bitteres Lächeln.
Nun, was können wir schon erwarten?
Wlassow verzog das Gesicht. – Schicken Sie die Regimentskommandeure herein. Wir hören uns ihre Einschätzung an.
Sie wollen doch nicht …
Ich werde Himmler anrufen und ihm sagen, dass wir angreifen, aber unter Protest. Nur so können wir uns retten. Sie übernehmen mit Bunjatschenko das Kommando. Ich fahre für ein paar Tage nach Berlin. Wenn der Angriff scheitert, brechen Sie ihn ab und sagen Himmler, ohne meine Order könnten Sie nicht handeln.
Ich verstehe.
Weisen Sie die Kommandeure vor dem Angriff heimlich an, so vielen unserer Männer das Leben zu retten wie möglich. Das kann nicht von mir kommen, weil ich …
Jawohl. Und in Berlin können Sie immer noch …
Ach, ich fahre gar nicht nach Berlin. Ich besuche meine Frau in Karlsbad.
Am 13.4.45 eroberten die Russen Wien. Weil sich so die Front auf praktische Weise verkürzte, konnte er kurz darauf zum letzten Mal seine Heidi treffen. Sie war noch dünner und noch unselbständiger geworden. Zu Ehren seines Besuchs hatte sie sich die Lippen rot geschminkt, so grell wie die Erkennungsfarbe der Flakdivisionen der Luftwaffe, und ihre Mutter brachte ihnen mit echtem Kaffee gewürztes heißes Wasser. Die beiden Frauen überschütteten ihn mit Lob, denn sie glaubten, er habe ein neues Wunder vollbracht und sei wieder einer russischen Einkesselung entkommen. Er saß steif da und wollte sie nicht mit der Wahrheit belasten; zum Glück waren sie überhaupt nicht misstrauisch; sie hatten in der Signal noch nie eine unwahre Zeile gelesen. – Keine Sorge, sagte ihre Mutter. Untern Russ' lässt uns der Führer nicht fallen, da vergast er uns lieber.
67 – Sie tranken Schnaps. Heidis Mutter wollte wissen, ob er unterwegs durch Reichenhall gekommen sei, das sei doch ein sehr sehr hübsches, sehr deutsches Städtchen. Als sie die Gläser hoben, zitterte Heidi die Hand. Wlassow rief: Auf enttäuschte Hoffnungen!, und dann schwiegen sie und tranken.
Ihr Turteltäubchen wollt bestimmt alleine sein, sagte seine Schwiegermutter, und Heidi lächelte mechanisch und zupfte
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