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Winterfeldzug nie in den Mund nehmen.
Werwolf, dieses lange, perfekte, nach Südwesten ausgerichtete Rechteck, war in seinem Inneren von Zäunen in drei überwachte Zonen eingeteilt. Er bezweifelte, dass sie Zeit genug gehabt hatten, rundherum Tausende von Minen zu legen wie um die Wolfsschanze; aber solche Fragen stellte man nicht. So viele geheime Hauptquartiere hatte er inzwischen besucht – die hohen spitzen Dächer der Wolfsschlucht in Belgien, die feuchten Bunker von Tannenberg im Schwarzwald, dann die Wolfsschanze, Werwolf und wie viele noch? Lauter Beton und verschweißte Stahlplatten, die Vorhänge der wenigen Fenster immer zugezogen.
27 Neben ihm musste General Weichs nervös schlucken. Hier in Werwolf gab es einen Friseur und eine Sauna, hatte er gehört; er hatte gehofft, sich vor der Begegnung mit dem Führer erfrischen zu können; er versuchte, von dem SD -Mann auf dem Vordersitz zu erfahren, wie viel Zeit er haben werde, aber Letzterer erwiderte lächelnd: Mir sagen sie auch nichts, Herr Generalleutnant! Und das ist vielleicht auch besser so; je weniger ich weiß, desto weniger kann ich verbocken! – Paulus lachte kurz auf, aber der Zynismus des Mannes war nicht nach seinem Geschmack. Nun verschluckte die zentrale Zone, die innerste, den Wagen; General Weichs wurde fortgeführt, um auf einen überraschenden Befehl hin Meldung beim »nickenden Arsch« zu machen, während Pau
lus beim SD -Mann Dolch und Pistole zurückließ und seinen Begleitern von derdurch den Stacheldrahtverhau zum zweiten Kontrollpunkt folgte, und dann führten sie ihn unter den Bäumen hindurch zum Teehaus, wo er von Martin Bormann kühl begrüßt wurde. Alles hatte einen öligen Glanz, wie die Ledersättel unserer Kavallerie. – Wenn der Herr General freundlichst einen Augenblick warten würden, sagte Bormann, die Stenographinnen haben ihren Schichtwechsel fast abgeschlossen. Sie können sich gerne im Kasino ausruhen.
Ich bin ausgeruht, erwiderte Generalleutnant Paulus.
Hätte ich mir denken können, sagte Bormann. Übrigens, wenn der Führer mit Ihnen fertig ist, werde ich Ihnen ein paar Fragen zu Ihrer Frau stellen müssen, Elena; Coca nennen Sie sie wohl …
Er bat um Erlaubnis, austreten zu dürfen. Im Waschraum prüfte er rasch seine Rasur und zog weiße Handschuhe an. Die Karte des feindlichen Eisenbahnnetzes im Maßstab 1:300000 mit dem Stempelund seinen eigenhändigen Anmerkungen (groß eingefügt vor allem für die alternden Augen des Führers) war noch immer dort, wo sie sein sollte, in der Außentasche seiner Aktenmappe, die er offen ließ, damit er leichter herankam, wenn der Führer sich ihm zuwandte; dann überlegte er es sich wieder anders und schloss sie, damit es eleganter aussah. Wie immer war er, kurz bevor er dem Führer unter die Augen trat, so nervös, dass er sich beinahe übergeben musste. Er wünschte sich wirklich General Weichs an seiner Seite. Bormanns Erwähnung von Coca, die Art von Masche, für die er berüchtigt war – was konnte er gegen sie haben? Sie war Rumänin; unsere rumänischen Verbündeten wurden praktisch als Ebenbürtige behandelt! –, hatte ihn noch weiter verunsichert; da er kein politischer General war, wusste er kaum, wie man sich in solchen Situationen verhielt. Wäre er nicht so überrumpelt gewesen, hätte er sicher etwas Bissiges erwidert. Wie zum Selbstschutz stieg langsam der Zorn in ihm auf, und er beschloss, Bormanns Aufforderung zu ignorieren. Danach ging es ihm besser. (Was genau war das Problem? Dass sie griechisch-orthodox war?) Nachdem er Bormanns Worte wieder und wieder im Kopf herumgewälzt hatte, war ihm ganz klar, dass er von diesem Rohling nichts zu fürchten hatte. Feldmarschall von Reichenau gegenüber hätte Bormann sich solche Unverschämtheiten nie erlaubt – er wäre einfach abgewürgt worden! Paulus lächelte blass. Der-Mann wartete draußen auf dem Flur. Er musste
sich durchsetzen; er würde sein Möglichstes tun, damit dem Führer klar wurde …
Kommen Sie doch herein, Paulus, sagte der Führer und erhob sich zum Händedruck. Haben Sie schon gegessen?
Noch nicht, mein Führer. – Er verbeugte sich und schlug die Hacken zusammen.
Nun, keine Sorge; man wird für Sie mit eindecken. Wir essen vegetarisch, wie ich fürchte. Sind Sie zum ersten Mal in Winniza?
Einmal war ich mit meiner Frau vor dem Krieg …
Ein richtiges Drecksnest, sagte der Führer und wurde lauter. – Die Ukrainer, nun, eine dünne germanische Schicht, unten ein
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