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dass wir uns auf die Rumänen verließen. Das konnte er Coca natürlich nicht begreiflich machen.
Zuerst der Geburtstagskuchen aus dem OKW , dann die Trinksprüche in der Runde. Als er sich in sein Quartier zurückzog, zündete er sich eine Zigarette an und begann, die Signalaufklärungsberichte durchzugehen. Später öffnete er die Karte von Coca, die tatsächlich mit dem letzten Flugzeug gekommen war. Die Russen gruben sich jetzt offenbar mit siebzig Schützendivisionen und achtzig gepanzerten Einheiten ein, auch wenn niemand wusste, wo sie die herbekommen hatten. Um ihrer Herr zu werden, würde er möglicherweise weitere Truppen von seinen bereits geschwächten Flanken abziehen müssen. Die Karte verschwamm ihm vor den alternden Augen, die Schwierigkeiten hatten, die Stellungen scharf zu sehen. Unser Führer hatte ihm bedeutet, wie wichtig es war, das Unternehmen Fischreiher bald abzuschließen, damit er sich noch vor dem Wintereinbruch wieder mit der Heeresgruppe A
vereinen konnte. Und zweifellos legte man dem Führer Berichte über sein Verhalten vor! Er hielt Schmidt für einen ihrer Verfasser. Außerdem rief ihn ständig dieser lästige Generaloberst von Richthofen von der Luftflotte 4 an, ein Mann, den er immer anständig behandelt hatte, und gab ihm Ratschläge: Nur noch ein kleiner Vorstoß, mein lieber Paulus. – Noch ein Vorstoß! Was verstand er denn davon? Und warum verdunkelte die Luftflotte 4 den Himmel über Stalingrad nicht mehr wie sonst? Und doch zündete er sich am 29.9.42 eine weitere Zigarette an und setzte seine 38. Infanterie in Marsch, seine 100. Jäger, seine 60. Motorisierte Infanterie und die am besten ausgeruhten Regimenter seiner 16. Panzer, in der Hoffnung, den feindlichen Brückenkopf von Orlowski abschneiden zu können, was ihm am 7.10.42 gelang, wobei er für dieses unabdingbare Resultat Tausende Leben opferte: Er hatte die Front der Russen auf eine maximale Tiefe von zweitausendfünfhundert Metern zusammengepresst. Nun waren sie wirklich am Ende.
Der Luftaufklärungsbericht setzte ihn von einem großen feindlichen Munitionsdepot am Ostufer der Wolga in Kenntnis, direkt gegenüber der Fabrik »Roter Oktober«. Er forderte Luftunterstützung an, und es gab zwei Bombenangriffe, aber niemand konnte ihm sagen, ob es vernichtet worden war; vielleicht war es getarnt gewesen.
Die Rumänen mahnten ihn erneut, dass sie nicht genug Nachschub bekämen. Offenbar zählten sie auf sein Verständnis, da Coca ihre Landsmännin war. Er versprach, dem OKW Meldung zu machen (und übergab die Angelegenheit dann Schmidt). Die Versorgung lag leider nicht gänzlich in seiner Macht. Außerdem wusste er sehr wohl, dass das OKW normalerweise dazu neigte, uns bei knappen Ressourcen gegenüber unseren Verbündeten bevorzugt zu behandeln, ihrer mangelnden Kampfkraft wegen.
In der Nähe der Wolgainseln machte er neue feindliche Flugabwehrregimenter aus …
Er war kein politischer General , aber er hatte im Vertrauen von einem Untergebenen Warlimonts erfahren, dass der Führer ihm Jodls Posten anvertrauen wolle, sobald er Stalingrad eingenommen hätte.
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Auch der zweite Angriff lief schlecht. Der Feind schlug ihn mit Maschinengewehren und Molotow-Cocktails zurück. Aber seine Speerspitzen drangen bis an die Wolga vor. Das bedeutete für die Rote Armee wirklich das Ende; aufgeregt stellte er sich vor, was Coca sagen würde. Sie, der in ihrer Jugend immer das Beste zur Verfügung gestanden hatte, verdiente jetzt diesen Triumph. In sechs Wochen höchstens würde er ihr alles erzählen; ganz ohne Zweifel; und Coca, deren Bewegungen, wenn sie sich vor dem Spiegel die Haare bürstete, ihm immer noch den Atem nahmen, würde all seine Taten verstehen und gutheißen. Generalmajor Schmidt kam vorbei und überbrachte ihm im Voraus seine Glückwünsche, wie er es ausdrückte. Die 6. Armee hatte ihren Ruf wiederhergestellt! Paulus machte sich eine Notiz, die Ordonnanz zu fragen, ob genügend Veuve Clicquot zur Verfügung stehe, dass jeder Offizier der 6. Armee ein Glas trinken könne. Dann entschied er den Fall des Gefreiten Dietrich, der zum Tode durch Erschießen verurteilt worden war, weil er angeblich eine Beinverletzung simuliert hatte. Paulus ordnete Röntgenaufnahmen an; zu Dr. Braunsteins Überraschung war das Schienbein tatsächlich gebrochen; während auf dem Grammophon Bach lief, sprach er den Gefreiten Dietrich von allen Anschuldigungen frei, überlegte, lächelte leicht und schickte den Jungen dann für
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