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werden. Und solche Durchbrüche würden unweigerlich kommen. Ein deutscher General, der den Krieg überlebte und beim Apartheidregime von Südafrika Unterschlupf fand, erinnerte sich: So gut wie jeder russische Angriff wurde durch eine Infiltration auf breiter Front, durch ein Einsickern kleiner Einheiten und Einzelkämpfer vorbereitet. In dieser Art der Taktik haben die Russen ihren Meister noch nicht gefunden.
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Was sollte er tun? Schließlich wurde er wieder persönlich zum Führer bestellt, der ihm bestimmt die angemessene taktische Empfehlung geben würde.
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Im ersten und glorreichsten Jahr des Unternehmens Barbarossa hatte man Paulus, damals stellvertretender Stabschef im Oberkommando des Heeres, in die Wolfsschanze geflogen, wohin damals, wie auch heute und gelegentlich noch in der Zukunft, das Führerhauptquartier verlegt worden war. Ich habe Ihnen bereits berichtet, dass die Wolfsschanze aus einer Reihe feuchtkalter Betonbunker bestand, manchmal vier, manchmal zehn, alle halb in den ostpreußischen Boden eingelassen, im Inneren mit einer Holzverkleidung wohnlich gemacht. Die Wolfsschanze roch nach Küche und Stiefelleder. Mit den zirka dreißig Flakkanonen und ihrem Arsenal aus leichten Maschinengewehren, Panzerabwehrwaffen und Flammenwerfern neuester Bauart war die Wolfsschanze sehr, sehr sicher; selbst vor dem Kino standen Wachen. Die Wolfsschanze war wirklich und wahrhaftig die Seele Deutschlands.
Bei verschiedenen Gelegenheiten war Paulus mit General Warlimont und Oberst von Lossberg zusammengekommen, zur Planung, was nach der Einnahme Moskaus beschlagnahmt werden solle. Die allgemeine
Ansicht war, man könne danach den größten Teil unserer Truppen von der Ostfront abziehen und in Afrika oder England einsetzen. Dann hatte man ihn zu einem Abend vor dem Grammophon im Teehaus-Waggon eingeladen, auf Bitten des Führers: »Siegfried«, erster Akt! Alles schien dem Führer in jenen Tagen Spaß zu machen; das lag nicht nur an den vielen noch unangefochtenen Siegen, nein, er hatte den Österreicher in sich noch nicht unterdrückt, die charmanten Komplimente, den Handkuss für die Frauen etc. Paulus, der einen weiteren unangenehmen Abend erwartet hatte, an dem man ihn düpierte, verliebte sich in das Selbstvertrauen dieses Mannes, das natürlich auch Feldmarschall von Reichenau eigen gewesen war, aber in geringerem Maße; denn wenn der Führer ansetzte, über die Zukunft zu sprechen, verwandelte sich alles, was er sagte, in etwas, das noch viel verlockender war als unsere süßesten Fantasien: Ja, Moskau würde fallen; unsere Entschlossenheit und Überlegenheit waren stark genug; daher hatte Moskau schon als erobert zu gelten. Nur der Führer konnte all dies Wirklichkeit werden lassen.
Aber nun hatte Paulus die Angst gepackt, und umso mehr verließ er sich darauf, dass der Führer ihn wieder aufrichten und ihm zeigen würde, wie sich diese Eroberungen doch noch bewerkstelligen ließen. Ohne den Führer konnte man sich zum Beispiel kaum vorstellen, dass wir Moskau jemals einnehmen würden.
Diesmal gab es keine-Eskorte; stattdessen gab man ihm einen Passierschein für einen Tag, und ein einzelner Mann vom SD brachte ihn ins Offizierskasino und bog dabei vor Martin Bormanns Bunker rechts ab (die Jalousien rührten sich, als er vorüberkam; er sah ein Auge, das ihn zornig aus dem Dunkel anblitzte), aber dann stellte sich heraus, dass der SD -Mann sich geirrt hatte; unser Führer wartete im Lagezentrum auf ihn. Dort hatte es eben einen Gas-Probealarm gegeben, der nicht gut gelaufen war; der Gong war nicht rechtzeitig ertönt.
Man gestattete ihm, sich im Badehaus frisch zu machen, wo er Feldmarschall von Manstein begegnete. Unter Hochdruck krachte das Wasser auf den Beton wie Artilleriebeschuss, und sein Nebenmann flüsterte ihm ins Ohr: Hier ist die Lage hoffnungslos, Paulus, leider. Sie dürfen keine echte Besprechung erwarten. Er gibt den Menschen nicht einmal mehr die Hand …
Entsetzt erwiderte Paulus: Und er will mir keinen Rückzug gestat
ten! Wenn ich wenigstens die versprochene Verstärkung erhalten würde!
Ach, flüsterte Feldmarschall von Manstein mit einem mitfühlenden Lächeln, diese Taktik des alles Abdeckens und nie etwas Aufgebens führt meistens zur Niederlage der schwächeren Partei.
33 Aber führen nicht die meisten Strategien zur Niederlage der schwächeren Partei?
Wenn das stimmen würde, wäre die Strategie keine Wissenschaft. Hier bitte, die Seife.
Und nun zum Dienern und
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