Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Europe Central

Europe Central

Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
Vom Netzwerk:
Generalleutnant!
    Verbinden Sie mich bitte mit der Luftflotte 4.
    Zu Befehl, Herr Generalleutnant!
    Er forderte einen weiteren Luftangriff an, aber die Bomben konnten sie nicht vertreiben. Er starrte auf die Karte hinab.
    Er änderte seine Meinung jetzt fast so oft, wie der Bahnhof den Besatzer wechselte.
    Am Folgetag die aufgeregte Meldung: Angriff, Herr Generalleutnant! Zirka zwei Divisionen mit ein oder zwei Panzerkorps …
    Auf die Mamajew-Höhe?
    Jawohl, Herr Generalleutnant. Wir werden zurückgedrängt …
    T-60 und T-70, nicht wahr?
    Das lasse ich überprüfen, Herr Generalleutnant.
    Nein, bringen Sie mich hin.
    Zu Befehl, Herr Generalleutnant …
    Nein, wir schicken gepanzerte Verstärkung, entschied er. Und Schmidt soll mir bitte sofort Meldung machen.
    Was sollen wir den Männern sagen, Herr Generalleutnant?
    Augen zu und durch bis zum Endsieg, erwiderte er und setzte die Brille auf.
    Vertraulich fragte ein gewisser Generalleutnant ihn im Flüsterton, ob er selbst noch an den Endsieg glaube.
    Solange der Führer präzise in Kenntnis gesetzt wird – ja, erwiderte er.
    10
    Hass-, leid- und schmerzerfüllt rangen die Schatten an der dunklen Front miteinander, während die Geschosse über sie hinwegeilten wie leuchtende Sterne. Um 08:00 Uhr an einem Morgen, der so feucht und kalt war wie ein Schützengraben, scheiterte der dritte Angriff. Er hatte ein Zucken in der linken Gesichtshälfte. Einige seiner Offiziere wagten es, anzudeuten, er hätte den Angriff persönlich führen sollen, wie früher Feldmarschall von Reichenau; er erwiderte kühl, der Kommandeur einer Armee müsse nicht wie ein Irrer in den vordersten Lini
en herumtanzen, er könne an den Karten bessere Dienste leisten. (Generalmajor Schmidt lächelte höflich, ließ sich aber nicht zu einem Lachen hinreißen.) Er hatte elf Divisionen und achtzig Panzer in die Schlacht geführt; nun waren sie am Ende ihrer Kräfte: Seine gebückt voranstürmenden Truppen stürmten nicht mehr. Zur Stunde bestand seine Aufgabe darin, der Front wieder Zuversicht zu geben. Bald würde der Winter kommen, und dann würden sie Alkohol in die Heizungen ihrer Gefährte kippen wie im vergangenen Jahr vor Moskau. Erst Stalingrad, dann Baku. Bibbern würden sie, sich Socken um die Wollhandschuhe wickeln. Wenn der Vormarsch in alle Richtungen nicht weiterging, gab es für Deutschland keine Hoffnung. Im OKW flüsterten sie dem Führer jetzt bestimmt ein: Nicht einmal ein Regiment hat er kommandiert, bevor er die 6. Armee bekam! – Aber Generalleutnant Paulus war zu gut erzogen, um andere anzuschwärzen, was immer ihm auch durch den Kopf gehen mochte. Der Einschätzung des Obersten Heim nach war er eine hagere, etwas zu große Gestalt, deren stets gebeugte Haltung etwas wie Entgegenkommen für den an Wuchs Kleineren auszudrücken schien.
30 So war es, und so hat Coca ihn für alle Zeit beschrieben: Du bist einfach zu gut für diese Menschen, Liebling.
    Er durchschwamm keine Flüsse wie von Reichenau in Polen. Vielleicht mangelte es ihnen deshalb an Respekt vor ihm.
    Sie sagten ihm: Diese Defensivmission geht dem deutschen Soldaten gegen die Natur.
31 Er hielt dem entgegen, die 6. Armee mache noch immer Fortschritte, wenn diese Fortschritte natürlich auch so schleppend geworden waren wie ein Sturmangriff im Tiefschnee. Vom Ostufer der Wolga aus schlachtete ihm die feindliche Artillerie weiter seine Soldaten ab. Die Bomber konnten nichts dagegen ausrichten.
    General von Schwederer hatte Einwände gegen seine Strategie. Paulus enthob ihn seines Kommandos.
    Er wies Schmidt darauf hin, dass die Munitionslage bald schwierig werden könnte. Schmidt erwiderte mit einem vorwurfsvollen Lächeln: Ich rufe jeden Tag deswegen an, Herr Generalleutnant, und bekomme immer nur zu hören: Wann nehmt ihr endlich Stalingrad ein?
    Erst Beethoven, dann eine Zigarette. Er setzte eine weitere Nachricht an den Führer auf und warnte vor der verminderten Truppenstärke der Infanterie der 6. Armee. Die Front war inzwischen nur noch spärlich bemannt; er hielt es für besser, die Stellungen der Heeresgruppe B ge
gen die menschlichen Vektoren der allzersetzenden bolschewistischen Ideologie auszubauen.
    11
    Der stehenden Befehle unseres Führers wegen konnte er keine tief gestaffelten Verteidigungsstellungen aufbauen; die Front durfte nie aufgegeben werden, also benötigte er quasi jeden Mann, sie zu halten. Ein einziger feindlicher Durchbruch, wo auch immer, und seine Truppen konnten eingekesselt

Weitere Kostenlose Bücher