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bettelte. (Ich war dabei, auf den Fersen der A. Achmatowa; ich erinnere mich an den Schnee auf dem Eisenzaun des Sommergartens, den Schnee auf den Bäumen des Sommergartens.) Und sie nahm ihn mit zu sich nach Hause; sie wusste, dass er sie liebte! Wovor hatte er so große Angst? Die beiden hatten längst entschieden, wie der zweite Satz beginnt, mit seiner bewegenden russischen Melodie in Moll, Übergängen aus rodtschenkoartigem goldenem Gestänge, die sie dann mit einer fröhlichen Melodie verbinden, die wiederum nach einer ganz eigenwilligen, unwiederholbaren Liebkosung des Cellos buttersüß wird und bald darauf abbricht, weil er auf dem Rücken lag und sie rittlings auf ihm saß, ihn mit ihren saftigen inneren Schamlippen erregte und langsam Besitz von ihm ergriff, Orgasmus auf Orgasmus aufsteigen ließ, ihm verbot, sich zu rühren, innehielt, wann immer sie wollte; und die ganze Zeit über musste er ein braver Junge sein und ganz still liegen! Dann kommt die erwähnte Schaukelpferd-Sequenz, die sich wieder in eine Ewigkeit aus schmelzender Butter verwandelt: Er war
fertig, und Elena saß wieder auf ihm und ritt ihn genau so, wie sie es gern hatte, bis sie mit den Lauten einer Honigbiene zum Höhepunkt kam und der Bogen weich und schrill über den Korpus strich. Dann ist im Opus 40 mit der Rückkehr zur russischen Melodie wieder das Klavier an der Reihe, sich Lust zu bereiten, und eine zweite Schaukelpferd-Kopulation eilt im Galopp einem fröhlichen Samenerguss entgegen, worauf das Klavier funkelt und leuchtet; ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass sie sich da in der Morgendämmerung liebten, und unmittelbar bevor sie fertig waren, setzten die Laute des Tagesanbruchs ein, und die Sonne funkelte und schien eifrig auf ein umgekipptes Wasserglas und verwandelte es, ganz unglaublich, in ein Spinnenjuwel, dessen Beine Strahlen aus weißem Licht waren.
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Die wahre Geschichte des Opus 40 endet am Ende einer gewissen Nacht im Sommer 1935, als die schlaflose Frau schließlich Schostakowitschs Nummer wählte. Nina nahm ab und sagte barsch: Er bleibt bei mir.
Ich habe am Telefon gewartet und gewartet, hauchte Elena, nur falls er anruft.
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Was das Opus 40 angeht, hat Schostakowitsch sich immer geziert, zweifellos Nina zuliebe, aber er hat doch zu Protokoll gegeben, dass ihm in jenem Jahr auf dem Gebiet der Kammer- und Orchestermusik ein gewisser »großer Durchbruch« gelungen sei.
20 (Schostakowitsch zur Konstantinowskaja: Warum bin ich Dir begegnet? Warum habe ich mich in Dich verliebt? Ich hätte ein friedliches Leben haben können. Mein Leben, wie es früher war, ist vorbei. )
21 Die Uraufführung fand am 25. Dezember 1935 statt. Elena Konstantinowskaja blieb ihr fern. Jene, die uns übelwollen, würden zweifellos darauf bestehen, besonders zu betonen, dass wir, nach den Anweisungen des Genossen Stalin, inzwischen noch ein paar tausend von diesem Abschaum verhaftet hatten, darunter Elena. Ich weiß sehr wohl, dass sie im Durchgangsgefängnis eine Postkarte von Schostakowitsch erhielt – auch das spricht gegen
ihn. Nachdem ich alle Unterlagen zu dieser Angelegenheit geprüft habe, kann ich Ihnen versichern, dass die Neuorganisation des Komsomol inzwischen dringend notwendig geworden war; in allen lokalen Untereinheiten wimmelte es von Klassenfeinden. Elena konnte nie etwas Bestimmtes nachgewiesen werden. Trotzdem wollen wir keine Krokodilstränen über die Unannehmlichkeiten eines Menschen vergießen, der, wie jeder andere auch, legitimerweise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit unseres Sowjetstaates geraten konnte. Für diese Studie des Opus 40 ist von viel größerem Belang, dass das Konzert, wie ich bezeugen kann, ein Erfolg war, ein glanzvoller Erfolg, könnte man sogar sagen. Nun, dann war sie eben nicht dabei. Der Komponist hatte es ja auch seinem Freund W. Kubatzki gewidmet und nicht ihr.
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[ 15 ] Die sogenannte »Signatur D - S - C - H «, die weiter unten erörtert werden wird, in meiner Analyse des Opus 110, ist nach diesem einfachen Kriterium dem Motiv verwandt – mit anderen Worten, ohne Bedeutung für das Volk. Entsprechend muss jeder Bezug auf eine »Signatur E-E-K« voller Abscheu als antisowjetische Provokation abgetan werden. Wie wir gerne sagen, es ist kein Zufall , dass Schostakowitsch selbst in Mosers Musiklexikon , veröffentlicht im ersten Jahr des Tausendjährigen Reiches, übergangen wird. »Sousa« und »Serbische Musik« dagegen finden sich; bald wird man sie zu Feinden
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