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Arbeit. Als Berlin unser Land wieder besuchte, weigerte sie sich klugerweise, ihn zu treffen.

Fall Weiß
    … das geheimnisvolle Glas im Auge, [beherrschet Ihr] die Gedanken der Menschen … Bewegt Ihr Euch frei in der Welt, so wird Euer Blut leichter fließen, jedes trübsinnige Brüten aufhören und, was das beste ist, bunte Ideen und Gedanken werden aufgehen in Euerm Gehirn …
    – E. T. A. Hoffmann (ca. 1822)
1
    Zu Zeiten des Schlafwandlers gab es Umzüge von Panzern,-Truppen und bettelnden Diplomaten aus England und Frankreich, während wir uns bereitmachten, uns den Tod ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen. Die Männer, die einst im Wirtshaus aufgesprungen waren, um »Schicksal« zu brüllen, hatten nun Regimenter unter sich. Und so wurden die Siegel der Befehle für den Fall Weiß erbrochen, und die Regimenter erfuhren, dass es nach Warschau ging, in die Stadt gedrungener honigfarbener Kirchen und blauschmutziger Pflastersteine, damit sie den schwitzigen rosa Beinen polnischer Frauen hinterherblicken konnten.  
    Unsere russischen Freunde brachten die »Walküre« auf die Bühne des Bolschoi (die Produktion war judenfrei, uns zuliebe). Sie freuten sich auf den Fall Weiß; wir hatten eingewilligt, sie halb Polen schlucken zu lassen. Was würden sie dann tun? Mir ist, als sähe ich den weißen Handschuh eines Offiziers, ausgeblichen von Leichenflüssigkeit, ein verrostetes Schlüsselbund, einen polnischen Adler aus Messing, verfilzte, schlammige Fetzen grüner Leinwand; mal dreitausend oder vielleicht zwölftausend genommen (denn auf Zahlen kann man sich nie einigen) im Wald von Katyn. Wahre Metzger, diese Slawen!
    Auch die Österreicher freuten sich über den Fall Weiß. Sie wollten ihrem neuen Reich beweisen, wessen sie fähig waren. (Hört auf eure Stammesbrüder; macht den alten Schaden wieder gut. So sagten wir ihnen.) Die Tschechen und Rumänen machten sich ihre eigenen Hoffnungen. Wer war eigentlich nicht in den Fall Weiß verwickelt? Ein aufregenderes Szenarium war nie geschrieben worden: Deutschland kann nicht länger tatenlos zusehen! Nachdem alle politischen Möglichkeiten er
schöpft sind, habe ich mich zur gewaltsamen Lösung entschlossen.
2  – Haben Sie je die Zaubermärchen des E. T. A. Hoffmann gelesen? Von ihm stammt der Entwurf zum Fall Weiß; verborgene Schätze, magische Augengläser, Ungeheuer hat er erträumt! Wenn Sie mir entgegenhalten, Hoffmann sei im neunzehnten Jahrhundert gestorben, kann ich nur sagen: Das macht es noch besser! Unsere Regimenter würden sich in Marsch setzen mit der beinahe unerträglich monotonen Akkuratesse von Hoffmanns Handschrift, jede Zeile vollkommen gerade, mit perfektem Abstand zu der darüber und der darunter, jeder Buchstabe im gleichen Winkel zur gleichen knappen Verbeugung geneigt. Die Meereswellen der Handschrift Rilkes, die zarten Asymmetrien in den Partituren Mozarts, das Verschnörkelt-Überladene der Schreibkunst Schillers, sie hatten alle ihre Zeit gehabt; nun war wieder Hoffmann an der Reihe, musikalisch begleitet von Beethovens bombastischem Gekritzel und von Truppenaufstellungen, entworfen in Wagners überraschend eleganter kursiver, stilisierter und geschwungener Hand mit den gekringelten. Und den ganzen Sommer über, allen Diplomaten zum Trotz, die ihr über das Gesicht huschten, lag Europa so kläglich passiv da wie eine der Frauenfiguren Dostojewskis. Im Wirtshaus erklärte mir ein Mann, dass natürlich jede Frau es wolle; jede Frau sehne sich danach, mit Gewalt von einem blonden Tier genommen zu werden. Er war eben in die Panzergrenadier-Division »Großdeutschland« aufgenommen worden. Er gab mir ein Bier aus und zeigte mir stolz eine Fotografie seiner Frau, die er im gleichen Jahr geheiratet hatte, an Onkel Wolfs Geburtstag, und als ich ihn fragte, ob er sie je mit Gewalt genommen habe, gab er zurück, es gebe Frauen, die man nicht mit Gewalt nehmen müsse, weil sie Kerzen seien; du zündest sie an, und sie brennen ganz von alleine; sie schmelzen und brennen. Er fragte mich, ob ich wisse, was er meine; er wollte wissen, ob ich je bei einer Frau gelegen sei, und ich sagte, ich träume nicht mehr von Frauen; wenn ich nachts die Augen schließe, sehe ich eine Pyramide aus Flammen. Er war mit den Frauen fertig und verkündete, dass Polen nicht genügen würde; man müsse an die Zukunft unseres Volkes denken. (In Europa ist alles Schau, alles wird angekündigt.)
    Drei Jahre darauf sollte sich der nächste Akt über den