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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bis aufs Blut
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sich zwei ihm so vertraute Personen irren?
    Verdrossen langte Alex nach seiner Zigarettenschachtel, um doch nur festzustellen, dass diese bereits leer war. Beschwerlich erhob er sich, zog seine Boxershorts an und wühlte in seiner Tasche nach einer frischen Schachtel. Er reiste nie ohne einen ausreichenden Vorrat an Nikotinspendern, vor allem nicht in Länder, in denen man sich als Amerikaner nur schwer verständigen konnte. Eine Zigarette aus dem nächsten Päckchen zu ziehen und sie sich vorübergehend hinters Ohr zu stecken, war eine einzige gewohnte Bewegung. Gedankenverloren trat er auf den kleinen Balkon hinaus. Es sei denn, dachte er weiter, sein Vater hatte mit Absicht seine schier habgierige Ex-Frau glauben lassen, dass er das Buch in dem Haus in Italien aufbewahrte, es aber in Wirklichkeit ganz wo anders versteckte. Und Pete? Hatte er ebenfalls diese falsche Schlussfolgerung gezogen?
    Alex’ Stirn runzelte sich zu unendlich vielen Falten. War in der Villa vielleicht ein Safe gewesen? Hatte er das Haus wirklich gründlich genug untersucht? Doch umgehend kamen ihm Annas Worte wieder in den Sinn und er verwarf seinen Gedanken an den Safe so schnell, wie er ihn gehabt hatte, denn er war einfach nicht logisch. Hätte Anna das Buch nicht aus der Villa mitgenommen, wieso wusste sie dann, von welchen Buch er überhaupt sprach? Alex’ Gedanken liefen im Kreis, während seine Augen durch die Kronen der alten Kastanienbäumen in den Park wanderten, unter denen die Einheimischen den Schatten suchten, indessen die sonnenhungrigen Touristen im Gras ihre Gesichter in die Sonne streckten. In diesem Park schien die Welt noch heil. Besonders die Welt dieses kleinen Jungen dort unten, der mit einem Mann, wahrscheinlich seinem Vater, Fußball spielte, denn er jauchzte vor Freude in seinem unermüdlichen Versuch, dem Erwachsenen den Ball abzujagen. Alex nahm selbstvergessen die Zigarette von seinem Ohr und zündete sie an. Im Gegensatz zu dem spielenden Kind dort, war sein eigener Vater nun tot und es war
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    schon erstaunlich, wie wenig ihn das eigentlich berührte. Grundsätzlich hatte er seinen Vater nie leiden mögen, man könnte förmlich sagen, verachtet.
    Nichtsdestotrotz erstaunte ihn die Tatsache, dass sein Tod ihn überhaupt nicht tangierte. Zugegeben, er war erschrocken zusammengefahren, als er ihn in der Villa regungslos auf dem Fußboden gefunden hatte. Doch nicht deshalb, weil der Mann auf dem Flur sein eigenes Fleisch und Blut gewesen war, sondern weil man einfach erschrak, wenn man eine Leiche entdeckte. Dessen ungeachtet hatte er ihn sofort erkannt, selbst nach diesen zwanzig Jahren, während derer er ihn nicht mehr gesehen hatte. Nein, er hatte sich nicht besorgt zu ihm heruntergebückt, nicht seinen Plus gefühlt und auch nicht die Rettung gerufen. Ganz im Gegenteil. Einen großen Bogen hatte er um ihn gemacht und sich sofort mit brutaler Ignoranz in dem Haus nach dem Buch umgesehen, denn für ihn war sein Vater ohnehin schon jahrelang tot gewesen. Das kam daher, dass ihm sein Vater, und da war sich Alex ganz sicher, eine unbeschwerte Kindheit verwehrt hatte. Es waren nicht die Tracht Prügel, die schon längst zur Tagesordnung gehörten oder die lautstarken Auseinandersetzungen, die davor ausgetragen wurden, die ihm seine jungen Jahre in seinem Elternhaus zur Hölle gemacht hatten. Es war die ganz plumpe Tatsache, dass ihn sein Vater von einem Tag auf dem anderen als einen Versager klassifiziert hatte und ihn einfach seinem eigenen Schicksal überlassen hatte. Sein Vater hatte nie mit ihm im Park Fußball gespielt, hatte nie abends vor dem Schlafengehen mit ihm herumgetollt, hatte nie ein Baumhaus mit ihm gebaut, so wie es die Väter der anderen Kinder getan hatten. Wahrscheinlich würde dieser kleine Junge dort unten heute Abend auf den Knien seines Vaters sitzen und sich von seiner tiefen Stimme, die so viel Schutz gab, den Sternenhimmel erklären lassen, und auch wenn er es wohl nicht verstehen würde, darauf würde es gar nicht ankommen. Alex beneidete diesen Jungen, selbst heute noch, als Erwachsener. Förmlich ausgespuckt hatte ihn sein eigener Vater, wie einen abgekauten Olivenkern. An wen hätte sich Alex mit seinem Kummer wenden sollen? An seine Mutter, die heldenhaft ihren eigenen Kampf mit ihrem Mann austrug, dabei stets versagte und zu einer hysterischen Plage wurde? Nein! Statt dessen klaubte er tapfer die Überreste seines zerschmetterten Selbstbewusstseins auf und

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