Eva Indra
großzügigere Vorrauszahlung gebeten - doch Pete hatte ihm nur freundschaftlich auf die Schulter geklopft und ihm eine gute Reise gewünscht. Alex wusste nur zu gut, was das zu bedeuten hatte. Man hatte ihn im Verdacht, dass er das Geld umgehend auf einen Roulettetisch setzen würde. Grundsätzlich hatte man damit Recht, denn diese Gefahr bestand durchaus. Wie oft hatte sich Alex schon Geld ausgeborgt, um nur zu überleben und hatte es dann erst recht ins Kasino getragen, um wenig später wieder vor dem selben Problem zu stehen, nämlich immer noch kein Geld, dafür aber um so höhere Schulden zu haben. Doch dieses Buch sollte nicht nur all’ seine Außenstände begleichen, sondern sogar einen angemessenen Gewinn mit sich bringen. Sein Vater hatte dieses besagte Buch vor einigen Jahren bei einer Auktion in Sotheby’s London teuer ersteigert, die anlässlich einer Hinterlassung eines angesehenen Lords veranstaltet worden war und er prahlte bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit damit. Alex hatte von all dem natürlich nichts gewusst, bis eben Pete die Geschichte erwähnt hatte und Alex parallel dazu die Konversation mit seiner Mutter, die nun gute drei Jahre zurücklag, wieder eingefallen war.
„Alex, stell dir vor, er hat dieses Buch gekauft. Über eine halbe Million Pfund hat er dafür bezahlt, sagt man ...und ich... wenn ich etwas Geld von ihm haben möchte, lacht er mich aus. Arbeiten soll ich gehen, meint er, als ob er mir nicht schon genug angetan hat. Alex, sag was! Findest du nicht auch...?“
Hazel, so hieß seine Mutter, rief ihren Sohn immer nur dann an, wenn ihr etwas an Leonard nicht passte. Was Alex mit ihrem Kummer zu tun hatte, war ihm schleierhaft. Na vielleicht doch nicht ganz, denn es war ihm nur zu deutlich bewusst, dass sich seine Mutter aus der Tatsache, dass Alex seinen Vater nicht leiden mochte, einen mitteilsamen Zuspruch erhoffte.
„Ja, Mutter, ich weiß. Ärgere dich nicht, er wird sich nicht ändern...“, hatte er gesagt und konnte es gar nicht mehr abwarten, sie endlich vom Hörer zu schütteln. Aber jetzt, als er über die ganzen Zusammenhänge nachdachte, nahm ein nicht unwesentlicher Umstand immer mehr Formen an. Seine Mutter war wahrscheinlich die Einzige, die von Leonards Tod profitieren würde. Sollte sein Vater sie nicht auch enterbt haben, so wie ihn selbst, dann würde sie sich von nun an in ihrem Haus in Chelsea ein gutes Leben machen können. Trotzdem war die Frage, wen er in sein Testament aufgenommen hatte, nach wie vor ungeklärt. Leonard hatte eigentlich niemanden, der ihm nahe stand, sah man von seiner Ex-Frau und seinem auf Lebzeiten verstoßenen Sohn einmal ab. Dessen ungeachtet verblieb natürlich noch Anna. Hatte er ihr sein ganzes Geld vermacht?
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Eva Indra Bis aufs Blut
Hatte sie ihn deshalb umgebracht? War das ihr Motiv gewesen? Nein, das konnte nicht sein, dachte sich Alex, denn für ihn hatte das ganze eher nach einem Totschlag im Affekt ausgesehen, als nach einem geplanten Mord. Sein Vater hatte bewegungslos auf dem Küchenboden gelegen, nicht weit davon die Tatwaffe. Das angebissene Käsebrot auf dem Boden, der geöffnete Rotwein, der Umstand, dass Anna sich in dem Hotelzimmer in Turin das Leben hatte nehmen wollen - all das passte einfach nicht in das Bild einer nachgeholfenen, schnellen Erbschaft. Er musste Anna unbedingt nach ihrem Beweggrund fragen, aber jetzt war mit Bestimmtheit nicht der richtige Zeitpunkt dafür, denn es stand viel Dringlicheres an. Wie zum Beispiel der unumstößliche Umstand, dass sie schleunigst das Auto wechseln mussten, denn nicht einmal der gerissenste Autodieb hätte es gewagt ein registriertes Taxi zu klauen. Ungehalten stieg Alex aus dem Wagen. Er war gereizt, gefangen in einer Lage, die er nicht mal seinem ärgsten Feind wünschen würde und das alles wieder einmal nur wegen einer Frau. Wieso hatte sie dieses verdammte Buch nur nach Wien schicken müssen, es hätte alles so einfach sein können, aber nein. Auf den Mond hätte er sie schießen können, so wutentbrannt war er auf sie. Fahrig nahm er ein T-Shirt aus seiner Tasche im Kofferraum. Er wollte wenigstens nicht auch noch seine Fingerabdrücke in diesem gestohlenen Taxi hinterlassen. Deshalb wischte er damit gewissenhaft das Lenkrad und den Wählhebel der Automatik ab und reichte es gleich darauf Anna weiter.
„Wisch damit alles ab, was du in dem Wagen angegriffen hast.“
Anna hatte das T-Shirt mit Unverständnis entgegengenommen, um nichts weiter
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