Eva Indra
als ihr das Polizeiauto ins Auge sprang, das neben ihnen stand. Die Gesetzeshüter warteten wohl ebenfalls auf das Grünlicht der Ampel. Dazu kam, dass in dem Augenblick, als Anna das Polizeiauto bemerkt hatte, einer der Beamten seinen Blick zu ihrem Auto wandte. Hatte er sie gesehen? Oh mein Gott! Lieber Gott, mach dass sie mich nicht gesehen haben. Ich flehe dich an, ich werde auch nie wieder...
Ihr Wagen setzte sich wieder in Bewegung. Anna hielt den Atem an. Was hatte das zu bedeuten? Hatte man ihr kurzes, laienhaftes Gebet erhört? Doch nach nicht einmal zwei Minuten wusste Anna, dass dem nicht so war. Alex hatte den Wagen zwar wieder in Gang gebracht, aber nur, um ihn auf den Pannenstreifen zu lenken und mit seinen Händen über dem Kopf aus dem Auto zu steigen.
„Alex! rief sie ihm verzweifelt nach. „Was soll ich jetzt...“
Sie hätte es wissen müssen! Wie konnte sie nur so blöd sein und ihm vertrauen? Hatte sie denn überhaupt keine Menschenkenntnis?
„Ihr Wagen ist umstellt. Steigen Sie bitte aus dem Auto aus! Arme über den Kopf!“ Galt das ihr oder meinten sie Alex?, fragte sich Anna und rutschte lautlos auf den Boden des Autos, um etwas mehr in Deckung zu gehen. Nichts in der Welt hätte sie dazu bewegt aus dem Wagen zu steigen. Sollten sie doch draußen stehen mit ihren gezückten Pistolen und auf sie warten bis sie schwarz würden. Durch ihre Wut auf Alex gewann Anna wieder mehr an Selbstvertrauen. Dazu kam, dass der Adrenalinstoß in ihrem Körper ihren Gedankenfluss ungemein beschleunigte.
„Steigen Sie bitte aus dem Wagen!“, hieß es erneut und der Tonfall wurde schärfer. Anna hielt sich die Ohren zu. Ihr müsste etwas einfallen, etwas Gutes noch dazu - und zwar schnell! Doch so sehr sie sich auch anstrengte, ihr fiel einfach nichts Passendes ein und wenn ihr überhaupt etwas in den Sinn kam, waren es nur noch mehr Fragen. Fragen, wie: Warum hatte sie Leonard nur erschlagen? Hätte sie nicht nur einen Schuh nach ihm werfen können? Die linke hintere Wagentüre wurde geöffnet und ein Polizeibeamter stand mit der Pistole vor ihr
„Signora, steigen Sie bitte aus!“, sagte er überraschend freundlich.
Anna rührte sich nicht. Besser noch, sie stellte sich tot. Wenn sie die Polizei glauben ließ, dass sie tot sei, würden sie sie vielleicht in ein Leichenschauhaus bringen und von dort aus könnte sie dann flüchten. Guter Plan! Einfach tot stellen, nur nicht bewegen, dachte sich Anna
Die rechte hintere Wagentüre wurde nun geöffnet und noch ein Polizist hielt die Waffe auf sie.
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Eva Indra Bis aufs Blut
Obwohl sich Anna auch nicht einen Millimeter gerührt hatte, hatte das die Beamten dennoch nicht davon abgehalten, ihren rechten Arm und dann, trotzdem sie sich sträubte und wie eine Wilde und um sich schlug, ihren linken Arm über ihren Rücken zu verschränken und ihr die Handschellen anzulegen. Anna schrie so laut wie sie nur konnte.
„Anna, verdammt noch mal! Hör auf zu schreien! Was ist denn los?“, stieß Alex aus. Anna erwachte schweißgebadet aus ihrem Traum und blickte fassungslos auf ihre Handgelenke. Da waren keine Handschellen - nur ihre in Heilung befindlichen Schnittwunden auf ihren Handgelenken, die wie die Hölle brannten.
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Eva Indra Bis aufs Blut
Kapitel 9
„Wieviel Geld hast du noch bei dir?“, fragte er Anna, als sie an einer Autobahn- Tankstelle waren.
„Ich habe kein Geld. Leonard hat immer alles...“, antwortete sie verlegen.
Alex schüttelte voll Verzweiflung den Kopf. Das hätte er sich eigentlich denken können. Eine Frau, die sich mit seinem Vater eingelassen hatte, hatte natürlich kein Geld bei sich. Warum sollte sie auch. Leonard hatte sich immer mit Vorliebe mittellose Frauen geangelt, bei denen er mit seinem elitären Lebenswandel und seinem Kunstgeschwafel auftrumpfen konnte. Das ging so weit, dass den Auserwählten kein noch so ausgefallener Wunsch mehr unerfüllt bleiben sollte. Ja, er hatte sich gut darauf verstanden, die Frauen in eine finanzielle Abhängigkeit zu treiben, so dass sie gar nicht mehr auf den Gedanken kamen, ihn je zu verlassen, so geborgen fühlten sie sich in dem Luxus. Alex zerrte missmutig seine Geldklammer aus der Gesäßtasche hervor und zählte seine verbleibenden Scheine. Wie jeder gute Amerikaner reiste er überall auf der Welt mit Dollar, denn die lokalen Währungen waren ihm suspekt. Und natürlich wurden die Scheine von einer Klammer zusammengehalten. Er liebte diese Klammer aus Sterling Silber. Sie
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