Eva Indra
als ihre Hände damit abzuwischen.
„...glaubst du, du kannst die Taschen vom Kofferraum bis zu einem anderen Auto tragen?“, setzte er fort.
„Ich? Ja, ich glaube schon. Warum?“, entgegnete sie verwundert.
„Wir müssen das Auto wechseln. Dieses Taxi ist einfach zu auffällig!“
„Was meinst du mit wechseln? Wechseln zu was denn, bitte?!“
„Zu einem dieser Autos hier an der Tankstelle. Wir warten bis jemand getankt hat und in das Tankhaus geht um zu zahlen. In dem Moment, indem er im Geschäft ist, steigen wir in seinen Wagen und verschwinden.“
„Das meinst du nicht im Ernst.“
„Hast du einen besseren Vorschlag?“
„Nein, aber...“
„Na also! Wenn ich „jetzt“ sage, springst du raus, nimmst die drei Taschen aus dem Kofferraum und steigst in das Auto, auf das ich dich aufmerksam machen werde, okay?“
„Nein, das ist nicht okay. Ich finde, das ist viel zu gefährlich. Wer sagt dir denn, dass sie nicht den Schlüssel abgezogen haben.“
„Das ist eben das Risiko dabei.“, konterte Alex und wusste nur zu gut, dass Anna verdammt Recht hatte.
***
Der Asphalt flimmerte in der Sonne, der beißende Geruch der Benzindämpfe wallte durch die Luft und gesellte sich zu den Motorengeräuschen, die von der Autobahn dröhnten, an dessen Auffahrt sie standen. Die Stimmung im Auto, in dem sie wie zwei lauernde Habichte auf frische Beute warteten, war auf den Nullpunkt gesunken - man hatte sich einfach nichts zu sagen. Mit gesteigerter Nervosität beobachtete Alex die Geschehnisse um sich herum. Hatte er wirklich erneut den Mut, seine Idee in die Tat umzusetzen? Des öfteren hatte nämlich schon ein achtlos abgestellter Wagen, dessen
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Eva Indra Bis aufs Blut
Besitzer sich einen eventuellen Diebstahl in seiner bürgerlichen Harmlosigkeit gar nicht vorstellen konnte, herrenlos vor oder sogar neben ihnen geparkt, und dennoch hatte Alex nichts weiter unternommen als dazusitzen und zuzuschauen. Ganz genau wollte er sich mit den Gegebenheiten dieser Tankstelle vertraut machen, bevor er zum Angriff übergehen würde. Darüber hinaus entschuldigte er seine fehlende Courage damit, dass manche Autos zu protzig wären, als dass man sie hätte stehlen sollen. Andere wiederum schienen zu alt, als dass sie den weiten Weg nach Wien durchgehalten hätten. Plötzlich sah Alex im Seitenspiegel ein kleines, dunkelblaues Auto bedenklich schnell die Einfahrt herunterrasen. Mit quietschenden Reifen hielt es an einer der Zapfsäulen und ein junger Mann kletterte heraus. Es war unglaublich, mit welchen Kisten diese Europäer herumfuhren und noch dazu derart schnell. So was wie das hier würde man in den Staaten nicht mal auf einem Golfplatz einsetzen. Aber hier gab es viele davon, denn er hatte auf der Fahrt schon einige gesehen und sich immer wieder aufs Neue über diese rasenden Corned Beef Büchsen gewundert. Wenn man sich im Untergrund bewegte war es von Vorteil mit einem Auto unterwegs zu sein, das es sehr häufig gab. Außerdem schien dieses kleine Ding ziemlich schnell zu sein, ein Umstand, der in der jetzigen Situation auch nicht zu verachten war.
„Was ist das für ein Auto da vorne, Anna?“, fragte er.
„Ein Lancia, ein Y10, glaube ich.“
Sehr gut, fuhr es ihm durch den Kopf, ein italienischer Wagen also. Damit würden sie nicht auffallen und plötzlich wusste er, dass der Zeitpunkt gekommen war. Mit nassen Händen und trockenem Mund beobachtete Alex den jungen Mann, wie er den Schlauch in den Tankstutzen steckte. Die Beträge auf der Zapfsäule, die denen eines Spielautomaten so glichen, brachten Alex’ Herz zum Rasen. Die Zahlen rannten nur so vorbei, von Litern und Lire hatte er keine Ahnung. Er sah nur, dass bereits weit über hunderttausend auf der Anzeige stand und es ging weiter. Mein Gott, dachte er, wenn das Dollar in Nevada wären... Er steigerte sich in einen derartigen hysterischen Rausch, dass er fast den Moment, in dem der Italiener seinen Wagen verlassen hatte, verpasst hätte.
„Jetzt!“, stieß Alex aus und öffnete hastig die Wagentüre. Seine Beine vermochten ihn kaum zu tragen, so aufgeregt war er, als er auf diesen Lancia zusteuerte. Er musste sich zwingen nicht zu rennen. Betont langsam, fast schlendernd bewegte er sich über den Teer. Voller Spannung blickte er durch das Fenster ins Wageninnere und sah den Autoschlüssel im Starter baumeln. Ein leiser Jubelschrei wollte schon über seine Lippen springen, doch er stoppte ihn gerade noch rechtzeitig. Anna hatte, schwer
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