Eva Indra
war die Errungenschaft eines grandiosen Royal Flushs in Reno, Nevada, gewesen und seither trug er sie immer bei sich. Es war damals eine Wahnsinnsnacht gewesen. Wie in einem schlechten Hollywoodfilm war es gewesen: Nach einem Abend bei „17 und 4“ hatte ihn ein Angestellter dieser Spelunke gefragt, ob er ins Hinterzimmer auf eine Partie Poker kommen wolle, eine kleine Veranstaltung für "special guests" würde man geben. Stundenlang wurde gespielt, anfangs mit kleineren Einsätzen, denn Alex wollte vorsichtig sein, doch schnell, viel zu schnell hatte er sich von der Atmosphäre einfangen lassen: Das Whiskyglas, das nicht leer werden wollte, denn ständig wurde ihm nachgeschenkt, der modrige Geruch des grünen Filztuches auf dem Tisch, die Rauchschwaden und die langen entblößten Beine dieser Frau, die sich beim Nachschenken immer so weit über ihn beugte, dass er ihre Nippel sehen konnte. Wie in Trance setzte Alex immer höhere Beträge, wurde immer mutiger oder das, was der dafür hielt, bis die ersten Sonnenstrahlen durch die dicken Vorhänge drängten und Alex nur noch klägliche drei Dollar besaß. Aber er wollte weiterspielen, er würde alles zurückgewinnen und noch mehr, das wusste er. Das nächste Spiel würde alles ändern, das Glück wäre sein, er wusste es. Fünf Karten flogen zu Alex, seine drei Dollar knallte er in die Tischmitte. Nein, er würde keine Karten aufnehmen wollen, er wusste, dass das Blatt gut war ohne die Karten überhaupt anzusehen, er spürte es. Aber mit drei Dollar kommt man nicht weit, seine Armbanduhr, ja, die würde er auch noch setzen und schon lag sie auf den Scheinen. Sein Gegenüber musterte ihn fast mitleidsvoll, aber plötzlich änderten sich seine Gesichtszüge und er lachte schallend auf. Dann müsse er ja wohl auch Gegenstände einsetzen, prustete er und zog die silberne Geldklammer von dem dicken Bündel Hunderter, das vor ihm auf dem Tisch lag. Jetzt wollte Alex sehen. Sein Gegenüber warf gelangweilt seine Karten auf den Tisch. Es war ein ordentliches Blatt, aber nichts Aufregendes. Langsam hatte Alex daraufhin die Hand auf seine Karten gelegt und drehte eine nach der anderen um. Und wie sein Gegenüber auch, sah er selbst zum ersten Mal in diesem Spiel sein Blatt. Es war ein Royal Flush. Alex sprang auf, schrie und ballte die Faust in die Luft, ja, er hatte es gewusst. Er raffte die sechs Dollar, seine Uhr und diese Geldklammer von dem grünen Filz, wollte sich gerade wieder setzen, denn endlich hatte seine Glückssträhne begonnen, als er von zwei starken Händen gepackt wurde und ehe er begriff was geschah, fand er sich im Staub eines Hinterhofes in Nevada wieder. Er taumelte und blinzelte verwirt in diese gleißende Helligkeit der Morgensonne. Sie hatten ihn rausgeworfen, diese Schweine. Sie hatten gesehen, dass sein Glück jetzt begann und deshalb hatten sie ihn rausgeschmissen. Sie wussten, dass er jetzt seine tausend Dollar zurückgewonnen hätte, mit denen er gestern Abend gekommen war. Und noch viel mehr hätte er gewonnen, das wusste er.
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Eva Indra Bis aufs Blut
Aber so war es unter Spielern, man gönnte sich nichts. Immerhin hatte er diese Geldklammer und sie war aus Sterling Silber, denn auf der Innenseite war eine kleine Nummer eingraviert. Sie würde ihm Glück bringen, würde ihm sein Glück erhalten, dachte er damals. Inzwischen hatte sie sich zwar leider nicht mehr als Glücksbringer erwiesen, aber man konnte schließlich nie wissen. Als er auf vierhundertsiebzehn Dollar gekommen war, lachte er leise auf. Doch zum Lachen war ihm eigentlich gar nicht zu Mute. Schreien – ja schreien hätte er eher können. Diese paar hundert Dollar waren der Rest des Geldes, das ihm der unbekannte Kunstliebhaber vorgestreckt hatte, der dieses Buch eigentlich haben wollte. Es wurde immer klarer, dass Alex diese zweitausend Dollar und somit den Auftrag, das Buch aus der Villa seines Vaters zu stehlen, um es diesem Kunstheini in Amerika auszuhändigen, nie hätte annehmen sollen. Warum hatte er sich nur mit diesen zweitausend Dollar und einem Flugticket von Los Angeles nach Rom und retour abspeisen lassen? Doch genaugenommen brauchte sich Alex diese Frage gar nicht stellen, denn er kannte die Antwort darauf nur zu gut. Bis auf das Existenzminimum abgebrannt war er gewesen, als er das Geld und somit den Auftrag von Pete angenommen hatte, der als Mittelsmann und angeblich ohne finanzielle Beteiligung operierte. Sicherlich hatte er leicht gemeutert, hatte um eine
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