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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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und Gebräu che anzunehmen – Deportationen etwa nach Sizilien, um Feigen kakteen anzubauen, von denen kein Mensch wusste, was das für Früchte sein sollten. Die Alternative, vor die sie gestellt wurden, lautete nicht, zu gehen oder zu bleiben, sondern sich entweder zum Walschen oder zum Daitschen zu erklären, zum Italiener oder zum Deutschen. Auf italienischem Territorium deutsch zu bleiben war nicht möglich.
    Fortziehen oder Dableiben wurde als freie Wahl hingestellt. Die Entscheidung zum Aufbruch aber, so verkündeten es die Flugblätter der Nationalsozialisten, würde belohnt werden als eindeutiger Beweis der Hingabe an die gewaltige Aufgabe, Großdeutschland zu schaffen. Wer seine Heimat liebe, müsse bereit sein, sie zu verlassen, um sie anderswo im Tausendjährigen Reich identisch wieder aufzubauen. Zu bleiben aber sei ein untrügliches Zeichen von Verrat, von Feigheit, von Ungehorsam gegenüber der nationalsozialistischen Idee.
    So sah die Wahl aus oder genauer, die »Option«.
    Kein Bauer ließ seinen Hof gern zurück, doch da sie sich als Daitsche fühlten, beschloss die große Mehrheit, sich auf den Weg zu machen. Sie »optierten«, wie es genannt wurde. Doch immer noch gab es zu viele Bauern, die sich Fragen stellten, flüsternd, abends im Schlafzimmer mit der Ehefrau: Würden sie die Weiden, die ihr Urgroßvater hundert Jahre zuvor mit Säge und Axt gerodet hatte, jemals wiedersehen? Und diese Gebiete, wo sie Kühe von der gleichen Farbe wie hier erwarteten, Höfe von der gleicher Ausdehnung, Bäume in derselben Anzahl, waren die eigentlich unbewohnt? Und wenn nicht, wohin würden dann die Bauern ziehen, die jetzt noch dort lebten?
    Der Druck auf die »Dableiber« wurde zu organisierter Verfolgung, an der Hermann mit Feuereifer teilnahm. Mit dem Segen der faschistischen Parteileitung verkrüppelte er Zugpferde, tötete Wachhunde. Beschmierte mit seinen Exkrementen die Türpfosten jener Hofbesitzer, die nicht fortzuziehen gewillt waren. Wenn er sich danach in einem Bach die Hände wusch, fühlte er sich erfüllt von einer Kraft, wie er sie noch nie erlebt hatte. In diesen Momenten waren die Scham und Verlassenheit des jungen Knechtes, der sich in der Eiseskälte vollgepinkelt hatte, fast vergessen.
    Es gab da einen alten Bauern, der seit vielen Jahren Witwer und kinderlos geblieben war. Er hatte sich niemals weiter als ein paar Kilometer von der Stube entfernt, in der er geboren worden war und in der er auch jetzt noch lebte. Nicht einmal damals, während des Großen Krieges, denn er war auf einem Auge blind zur Welt gekommen und hatte nicht Soldat werden können. Zwei Kühe besaß er, Lissi und Lotte, die er nicht in andere Hände geben wollte: Denn sie waren sozusagen seine Familie. Kurzum, der alte Mann konnte sich nicht dazu durchringen, das Optionsformular zu unterzeichnen. Da trat Hermann in Aktion. Mit zwei Kameraden steckte er seinen Stall in Brand. Die ganze Nacht lief der alte Mann mit einem kleinen Wassereimer hin und her und versuchte, während ihm aus dem gesunden Auge die Tränen liefen, das Feuer zu löschen. Als würden zwei riesige Säuglinge schreien, so klang das Muhen von Lissi und Lotte, die in den Flammen gefangen waren. Sie verstummten erst, als das lodernde Stalldach auf sie hinabstürzte und sich in der Luft neben Rauch und Asche der Geruch von gegrilltem Steak ausbreitete. Da sank der Alte zu Boden und stand nie wieder auf.
    Auch an der Aktion gegen Sepp Schwingshackl nahm Hermann teil. Sein früherer Schulkamerad war der gottlosen Faszination, die der Führer auf so viele seiner Landsleute ausübte, nie erlegen, und die ruhige Entschlossenheit, mit der er erklärt hatte, dass er seinen Hof nicht verlassen würde, machte ihn zu einem sehr gefährlichen »Dableiber«. Jedenfalls befahl der Gauleiter Hermann und noch zwei anderen, ihm einen Denkzettel zu verpassen – wie gesalzen er sein sollte, könnten sie selbst entscheiden. Und obwohl sie beide, Sepp und er, als Kinder jeden Morgen den Weg zur Schule gemeinsam zurückgelegt hatten und Sepp ihm jedes Mal, wenn ihm der Laster voll Holz liegengeblieben war, geholfen hatte, machte Hermann sich jetzt auf den Weg zu ihm.
    Sepp überlebte den Überfall. Zurück blieben aber ein Zittern in den Händen, eine leichte Taubheit und eine weißliche Narbe auf der Stirn, die seine Augenbraue etwas hob zu einem Ausdruck des Erstaunens, als habe sich die Fassungslosigkeit angesichts der Tatsache, dass der alte Freund aus Kindertagen sein

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