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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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nach, schritt wie sie einher, mit einer Krone aus Margeriten auf dem Kopf, mit der er Gerda krönte und sie zur einzig würdigen Herrscherin erklärte. Als es für den Engländer schließlich Zeit wurde, sich auf den Rückweg zu machen, bat er sie ehrerbietig um Erlaubnis, ein Foto von ihr machen zu dürfen. Am Ende des Sommers wurde Gerda von Hans’ Frau ein an sie persönlich adressierter Briefumschlag ausgehändigt. Absender: John Gallagher, Leeds, United Kingdom. Er enthielt ein Foto der zehnjährigen Gerda, das Eva viele Jahre später in ihrem Bücherregal aufstellen würde. Auf der Rückseite in einer Handschrift mit großen, spitzen Buchstaben: In eternal gratitude for the best day of my life. Forever yours, John.*
    * »In ewiger Dankbarkeit für den schönsten Tag meines Lebens. Für immer, Dein John.«
    Während eines solchen Sommers wurde das Alpinodenkmal wie deraufgebaut und ein neuer Gebirgsjäger daraufgesetzt, schlanker als der vorherige und mit einem nicht mehr ganz so trot zig-einfältigen Gesichtsausdruck wie zuvor. In seiner Rede anlässlich der feierlichen Einweihung erklärte der Militärbischof, dass dieser Soldat nun für die Aussöhnung der Republik Italien mit ihrer entlegensten Provinz stehe. Er symbolisiere eine Haltung, die defensiv und nicht aggressiv sei, betonte er.
    Doch an der Einstellung der Südtiroler änderte das nichts. Für sie war dies ein Denkmal des faschistischen Italien und würde es auch immer bleiben, selbst jetzt noch, da der Faschismus untergegangen war. Niemand von ihnen, abgesehen von einigen Amtsträgern, nahm an der Enthüllung teil. Auch Peter nicht, der jetzt sechzehn war, und ebenso wenig sein Vater Hermann, der von diesen Dingen überhaupt nichts mehr wissen wollte.
    Einige Jahre später kehrte Peter die ganze Nacht nicht heim. Erst als es bereits hell zu werden begann, hörte ihn seine Mutter, die nie schlafen konnte, solange ihr Erstgeborener nicht zu Hause war. Und sie brauchte nur kurze Zeit, um zu begreifen: Es war nicht die Jagd, von der Peter heimkam. Seine Kleider rochen weder nach Wald noch nach Schießpulver, sondern waren mit roter und weißer Farbe beschmiert. Aber Johanna fragte nicht nach.
    Am Tag darauf versammelten sich die Carabinieri um das Alpinodenkmal und sperrten die Kreuzung, an der es stand, für den Verkehr. Denn in der Nacht war sein Granitsockel weiß und rot angestrichen worden, in den verbotenen Farben der Tiroler Landesflagge also. Aber auf diese Weise verhöhnt, rief der Alpino nun bei den Leuten weniger Angst oder Ablehnung als vielmehr eine Art spöttischer Zuneigung hervor, sodass man ihn seit diesem Tag in dem Städtchen immer öfter nur noch »Wastl« nannte, anderswo hätte man vielleicht »Pierino« oder »Fritzchen« gesagt. Einen ganzen Tag schrubbten ihn die Carabinieri mit Bürsten und Seife wieder sauber.
    Peter fand keine feste Stelle und schlug sich weiter mit Gelegenheitsarbeiten durch. Er erntete Kartoffeln, bot sich den Bauern, deren Söhne ihren Wehrdienst ableisteten, als Tagelöhner an, wenn jede Hand gebraucht wurde, um das Heu einzubringen. Nur gelegentlich, bei besonders schweren Transporten, half er seinem Vater mit dem Laster, doch das Geld wollte nie reichen. In einem Winter fand er Arbeit als Wächter in der Villa einer adligen Wiener Familie, die in Südtirol den Sommer verbrachte. Dreimal die Woche hatte er die Öfen anzuzünden, damit die Wasserleitungen nicht einfroren, musste lüften und den Schnee vom Dach schippen. Es war keine schwere Arbeit, aber sie war auch schlecht bezahlt. Eigentlich wollte Peter eine Familie gründen, er war jetzt immerhin schon zweiundzwanzig, und es gab da ein Mädchen, das ihm ganz gut gefiel: Doch wenn das so weiterging, würde daraus nichts werden. Irgendwann erfuhr er dann, dass man im Stahlwerk Falck in Bozen Arbeitskräfte suchte.
    In der Familie konnte nur Johanna Italienisch lesen und schreiben: Sie war die Einzige, die während des Faschismus die Schule besucht hatte. Als Hermann zur Schule ging, bis zum Tod seiner Eltern, gehörte Südtirol noch zur Donaumonarchie. Ihre Kinder besuchten die Schulen der aus dem Antifaschismus hervorgegangenen Republik Italien, die zwar, anders als von den Südtirolern erhofft, diese entlegene Provinz nicht an die Mutter Österreich zurückgegeben hatte, jedoch immerhin das Recht der deutschsprachigen Bewohner anerkannte, in ihrer Muttersprache lesen und schreiben zu lernen. Die gesamte Bürokratie allerdings kommunizierte

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