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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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gegenüber Gerda vulgäre Bemerkungen zu machen war unmöglich.
    Was dachte Gerda über die Gelüste, die sie weckte, die sie schon als kleines Mädchen bei den Burschen und Männern ihrer Umgebung erzeugt hatte? Schon als sie damals neben Simon und Michl, ihren Cousins, im Heu auf der Alm schlief, waren ihr die kurzen, unterdrückten Atemzüge aufgefallen, die seltsamen rhyth mischen Schwankungen der Holzbretter, worauf erstickte, fast vorwurfsvoll klingende Stöhnlaute folgten und dann eine jähe, peinliche Stille. Was da vor sich ging, verstand sie nicht so richtig, spürte aber, dass es mit ihr zu tun hatte. Von klein auf war sie daran gewöhnt, Blicke auf sich zu ziehen, vor allem im Sommer, wenn die leichten Kleider ihre Körperformen nachzeichne ten. John Gallagher aus Leeds, United Kingdom, war nur der An fang gewesen. Sie hatte sie zu erkennen gelernt, diese zugleich hingerissenen und verwirrten, vulgären und anbetenden Blicke, aber sie glitten über ihren Körper hinweg, ohne sich einzukerben. Gerda selbst blieb davon unberührt. Nur den Männern, die ihr Anblick erregte, setzte diese Begierde zu – so wie Ätznatron zwar die Finger der Küchenhilfen angriff, die es verwenden mussten, nicht jedoch die Backformen, die damit gescheuert wurden.
    Tatsächlich fühlte sich Gerda schon früh für etwas bestimmt, was noch keine klaren Konturen angenommen hatte, was sie aber, dessen war sie sich sicher, genau erkennen und von diesen Blicken würde unterscheiden können, wenn es eines Tages in ihr Leben trat. Dieses vage Etwas erklang in ihr wie ein tiefes Sehnen, wenn sie bestimmte Lieder hörte, wenn mit der Schneeschmelze der erste Harzduft die noch winterliche Luft durchzog oder in der Mitte ihres Monatszyklus, wenn ihre Brüste fester wurden und sich auch zwischen ihren Beinen die Sehnsucht regte. Es war etwas, was sie wie ein Schild vor allen vulgären Bemerkungen schützte. Und so starrten die Männer sie nur an, hingerissen und erschüttert, wie ein Naturereignis, das sich ihrer Kontrolle entzog, und begehrten sie eben dadurch noch stärker als zuvor. Aber nur von Weitem.
    Gerda war also die erste »Matratze« in der Geschichte des Südtiroler Hotelwesens, die von den Männern respektiert wurde. Sie war nicht die letzte und auch nicht die einzige. Von einem bestimmten Moment an, ungefähr zu der Zeit, als Mina vom Bildschirm verschwand, wurden sie auch nicht mehr »Matratzen« genannt. Aber sie war die Erste.
    Gerda begann, wie es sich gehörte, auf der untersten Stufe der Hierarchie: als Tellerwäscherin.
    Wenn sie morgens gegen halb sieben in die Küche kam, war noch niemand da. Als Anfängerin war es ihre Aufgabe, jeden Morgen den mit Diesel betriebenen Brenner anzuzünden, der die Herdflammen versorgte. Sie erledigte das flink und mit Geschick, schließlich war sie es ja von Kindesbeinen an gewohnt, noch halb verschlafen mit Feuer und Brennmaterialien zu hantieren. Der Brenner brauchte länger als eine Stunde, bis er sich richtig aufgeheizt hatte, und um acht musste alles fertig sein, um den Gästen den Kaffee – von neapolitanischem Espresso wusste man zu jener Zeit in Südtirol noch nichts – mit heißer Milch zu servieren. Während er auf Touren kam, stieß der Brenner dichten, beißenden, klebrigen Rauch aus. Eine schwarze Wolke zog durch die noch leere Küche und dehnte sich immer mehr aus, bis es Gerda irgendwann die Kehle zuschnürte. Jene herrliche Luft, deretwegen die Gäste hier logierten, jener nach Nadelbäumen und Heu duftende Wohlgeruch, schien in dieser Küche Welten entfernt. Wenn der Brenner endlich richtig zog, kam Leben in die Küche, die Köche tauchten auf, die Hilfsköche und die anderen Küchenjungen ebenso, und Gerda begann ihren Arbeitstag an dem marmornen Spülbecken. Spülmaschinen waren noch unbekannt, und alles, von den kolossalen Brätern bis zum kleinsten Teelöffelchen, wurde von Hand gespült.
    Manchmal waren die Pfannen und Backformen so verkrustet, dass man länger als eine halbe Stunde daran herumkratzen und -scheuern musste, und wenn der Arbeitstag vorüber war, schmerzten Gerdas Arme und Schultern so sehr, dass sie sich die Schürze nur noch mit lahmen Bewegungen wie eine alte Frau abbinden konnte. Noch schlimmer war die Seife. Die wurde in der Küche selbst hergestellt, indem man auf einer Herdflamme, etwas abseits von den anderen Töpfen, einen Kessel mit Ätznatron und Schweineschmalz zum Kochen brachte. Das Ergebnis war eine Art klebrige Creme, die Gerda dann

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