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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Rucksack, den sie hochhält (den der anderen), so breit, dass ich keine Chance dazu habe. Ein wenig verwirrt durch diese Zurückweisung meiner Hilfe, setze ich mich wieder. Doch dann wird mir klar: Sie hat mein Angebot einfach nicht wahrgenommen. An freundliche Gesten scheint sie nicht gewöhnt zu sein.
    Kaum haben wir den Bahnhof Termini verlassen, da durchqueren wir schon eine außergewöhnliche Landschaft, deretwegen man anderswo auf der Welt eigens anreisen würde. Überall sieht man die Ruinen römischer Aquädukte, aber hier in Italien beachtet kein Mensch diese monumentalen Zeugnisse von Effizienz, Anmut und Beständigkeit. Auch meine Reisegefährtinnen im Abteil nehmen davon keine Notiz, obwohl sie als Touristinnen doch das Bedürfnis haben müssten, mit offenen Augen aus dem Zugfenster zu schauen. Stattdessen vertiefen sie sich in die Lektüre ihrer Taschenbücher und haben iPod-Stöpsel in den Ohren. Los, hebt den Blick, würde ich sie am liebsten auffordern. Lasst euch das nicht entgehen! Diese Aquädukte zählen zu den großen Weltwundern! Aber nein, nichts regt sich. Schlimmer noch, sie heben den Blick, als wir gerade an einem Autofriedhof, einem der üblichen Verfallssymbole urbaner Peripherien, vorüberfahren. Eine nimmt sogleich ihre Lektüre wieder auf, die andere, als wollte sie mich provozieren, erst kurz bevor die römische Industrielandschaft wieder dem offenen Land mit den Aquäduktruinen Platz macht, die sich elegant und geheimnisvoll vor uns abzeichnen, umgeben von Schafen, die schlafend am Boden ruhen, reglos, erschöpft vom Ostertrubel. Es werden wohl die Mütter jener Läm mer sein, die die Römer heute zum Festessen verspeisen. Vielleicht vermissen sie ihren Nachwuchs, können dem aber nicht Ausdruck geben. Ein Bild wie das Aquarell eines Reisenden auf der Grand Tour mit dem Titel: Traurige Schafe unter antiken Ruinen .
    »Hallo! Hallo!«
    Vom Abteil nebenan dringt eine Männerstimme mit unverwechselbarem Akzent zu uns herüber: Indisch. Nach einer kurzen Pause gesellt sich eine Frauenstimme hinzu. Sie klingt voll, fleischlich, irdisch, nach einem Erdboden, der mit nackten Füßen beschritten wird – auch wenn diese Inderin in Italien sicher Schuhe trägt. Und ihr Sari? Wer weiß, ob sie den hier anzieht. Ein weiterer Vorteil von Waggons mit abgetrennten Abteilen. Man kann seiner Fantasie freien Lauf lassen und sich das Aussehen der Abteilnachbarn anhand ihrer Stimmen ausmalen. Was die Frau zu sagen hat, klingt ähnlich wie das Statement des Mannes.
    »Hallo! Hallo, hallo! Okay, okay.«
    Sie haben auch ein kleines Kind dabei, das halblaut wimmert und unverzüglich zum Schweigen gebracht wird. Durch eine volle Brust? Ein Fläschchen? Einen Erwachsenen, der ein paar Grimassen zieht?
    Rechts des Zuges dehnt sich die Pontinische Ebene aus, platt, wie es nur Land sein kann, das Sümpfen abgerungen wurde. Eine klein parzellierte, kultivierte Fläche mit hohen Stapeln farbiger Plastikkisten an den Rändern: ein blauer Stapel hier, ein einheitlich gelber am Feldrand daneben, dann rot oder grün. Es sieht aus, als hätte ein gelangweiltes Kind seine Legosteine sortiert. Sie warten auf den nächsten Werktag, um wieder mit Gemüse gefüllt zu werden. Die Erde hat hier die Farbe von Blutwurst, man bekommt Lust, mit den Händen einzutauchen und daran zu schnuppern; selbst auf die Entfernung erkennt man, wie fruchtbar sie ist, ganz anders als der gräuliche Boden in meinem Tal zu Hause, wo man froh sein muss, wenn Kartoffeln gedeihen. In der Ferne entdeckt man die elegant geschwungene Linie von Pinienwäldern, und noch weiter dahinter bietet sich, fast nur als Glitzern erkennbar, das ins Himmelsblau übergeht, das Meer dem staunenden Blick dar.
    Auf der linken Seite des Zuges zieht dagegen eine andere Welt vorüber, eine natürliche Stufe aus kargen, mit gedrungenem mediterranem Buschwerk überzogenen und nur von Ziegen bewohnten Hügeln. Niedrige Trockenmauern schneiden schmale Stücke für kümmerliche Olivenbäume heraus, hier und dort verfallene Häuser, die aus den gleichen Steinen wie die Mäuerchen errichtet wurden, den Steinen, aus denen die Hügel bestehen. Wie hart und mühselig zu bearbeiten ist dieser Boden, im Gegensatz zu der fruchtbaren Ebene darunter. Hin und wieder öffnet sich die karstige Hügelkette und gibt den Blick auf hohe Berge frei, die noch düsterer und verlassener wirken, von Wolken umhüllt. Eigentlich befinden wir uns noch vor den Toren Roms, aber man hat den Eindruck,

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