Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme
aufgeteilt waren. Ergriff ich die Initiative, um ihm Lust zu bereiten, genoss er es, revanchierte sich dann aber sofort, als käme es vor allem darauf an, dass die Rechnung aufging und Geben und Nehmen in einem ausgeglichen Verhältnis standen. Mit anderen Worten, es war eine Buchhaltersexualität, die er praktizierte, doch wenn man zweiundzwanzig ist, fallen einem manche Dinge nicht sogleich auf.
Am Morgen des dritten Tages stand ich früh auf und schwamm im Ozean, während Wesley noch im Bungalow schlief. Als ich zurückkehrte, weckte ich ihn, indem ich mich mit meinem noch nassen Leib auf ihn legte.
»Eva, ich weiß, warum du so wenig schläfst«, sagte er. »Du willst an den Geheimnissen Anteil nehmen, die der Erzengel Michael Adam anvertraute.«
»Heh?«
»Milton, Paradise Lost , Buch elf.«
Ich muss ihn mit dem Gesicht eines Goldsuchers angeschaut haben, in dessen Sieb endlich ein Rubik-Zauberwürfel auftaucht.
Geduldig wie ein Professor, dessen Aufgabe es nun einmal ist, den lieben langen Tag ahnungslosen Studentinnen im Bikini etwas beizubringen, streichelte er mir über den feuchten, salzigen Oberschenkel und erklärte:
»Im vorletzten Buch seines Meisterwerks lässt Milton den Erzengel Michael zu Adam sprechen und ihm die Zukunft zeigen: Kain und Abel, die Zerstörung von Salomons Tempel, der große Khan, der russische Zar, Montezuma …«
»Was hat denn Adam mit Montezuma zu tun?«
»Gar nichts. Es ist eben die gesamte Zukunft der Menschheit, die der Erzengel Michael da Adam offenbart. Aber vorher versetzt er Eva in Schlaf, denn sie ist eine Frau und soll von alldem nichts wissen. Und so kommt es, dass Eva schläft, während Adam die Geheimnisse der Zukunft erfährt.«
Seine Hand fuhr unter mein Bikiniunterteil. »Auch du bist eine Frau …« Seine Finger bewegten sich. »Aber du hältst dich mit Absicht wach, um zu lauschen …«
Eine warme Flüssigkeit begann sich zwischen meinen Schenkeln zu sammeln. »Ich will doch gar nicht wissen, was die Zukunft bringt«, sagte ich. »Das ist so ein typischer Männerwunsch.«
»Nein, man merkt, dass du ihre Geheimnisse erfahren möchtest. Deshalb weigerst du dich zu schlafen.«
Etwas von Wesleys Worten schien auf mich zuzutreffen, aber ich hätte nicht genau sagen können, was es war. Zudem hatten jetzt seine Finger mein Zentrum erreicht, und das Denken fiel mir immer schwerer.
Wenige Tage später heirateten wir in Reno, Nevada. Ich hatte meinen Flug Colombo–Frankfurt nach Los Angeles umgebucht und meiner Mutter ein Telegramm geschickt: »I geaheiratn . «
Das Marriage license office in Reno hat den Ruf, nicht mehr als zehn Minuten zu benötigen, um seinen Besuchern eine Heiratsgenehmigung auszustellen. Bei uns waren es sogar nur acht. Ein Beamter mit pockennarbigem Gesicht und einer Adlernase wie ein amerikanischer Ureinwohner ließ sich von uns die Namen geben, die Nachnamen, Familienstand, Wohnort der Mutter (nicht des Vaters, zu meiner Erleichterung) sowie fünfundfünfzig Dollar in bar – das Marriage license office ist vermutlich der letzte Ort in den USA, wo man keine Kreditkarten akzeptiert.
Dann machten wir uns auf zum Commissioner for marriages , einen halben Kilometer entfernt. In einem mit rosa- und orangefarbenem Teppichboden ausgelegten Büro stand hinter einem Schreibtisch aus Massivholz eine farbige alte Frau mit stämmigen, in Kompressionsstrümpfen steckenden Beinen. Sie war es, die uns traute. Unser Trauzeuge hingegen war der Mann, der gerade sauber machte, ein Mexikaner in meinem Alter, mit einer wie eine Barockvolute in einer Kolonialkirche geschwungenen Oberlippe und Augen wie die eines kleinen Mädchens. Er hatte gerade in einem Losverfahren eine Greencard für die Staaten erhalten, erfuhr ich später, also dürfte der freudige Eifer, mit dem er seinen Namen unter die Heiratsurkunde setzte, wohl aufrichtig gewesen sein.
Nach der »Zeremonie«, schon unten im Wagen, schlug mir Wesley vor, unsere Hochzeitsnacht mit Joan und Elliot zu verbringen, einem mit ihm befreundeten Ehepaar, das am Lake Tahoe lebte. Da er ja nun ein verheirateter Mann sei, eröffnete er mir fröhlich, könne er jetzt auch mit Joan schlafen: Mir hatte er den Ehemann zugedacht.
Immerhin, seine Buchführung stimmte mal wieder.
Ich musste daran denken, was der Klappentext über den Autor des Werkes zum »göttlichen Dünger« verriet:
»Bevor Wesley Muno Lehrbeauftragter an der University of Indiana wurde, war er Schuster, Mitglied von Jugendgangs,
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