Eva und die 40 Maenner - Roman
runden, braunen Augen füllten sich mit Tränen. »Jetzt ist es so weit, was?«, flüsterte sie. »Dabei bist du doch diejenige, der es schlecht geht heute.«
»Vielleicht ist das eine gute Voraussetzung, von dir zu erzählen«, sagte Eva.
»Also gut. Es ist … bloß nicht so einfach in Worte zu fassen. Das Problem ist, dass ich, glaube ich … ich bin so verdammt einsam.« Ihre Stimme war zu einem Flüstern geworden. »Das klingt so bescheuert! Richtig peinlich. Aber es ist trotzdem so. Klar, ich habe einen großen Freundeskreis, ich bin dauernd unterwegs, ich habe ab und zu einen, der mir das Bett wärmt. Aber das hilft alles nichts. Es ist … ich habe keine Familie , verstehst du? Ich habe eine gewollt, so wie alle eine wollen, das kannst du mir glauben! Und ich hatte ja auch den Mann dazu. Wir wollten beide Kinder, unbedingt. Aber das hat nicht geklappt, egal, was wir versucht haben. Und dann hat er mich verlassen. Hat mich einfach ausgetauscht. Ich war so am Boden, du kannst es dir nicht vorstellen.«
Eva sagte nichts, drückte nur Irmelas Hand.
»Aber das Schlimmste kam erst neun Monate später. Seine Neue hat ein Kind bekommen, quasi sofort. Und seither noch zwei. Nun sitzen sie da in der Villa, die mal mein Zuhause war, und sind glücklich. Und ich hocke hier und bin allein mit meinem Geld.« Ihre Tränen waren versiegt, doch sie war bleich, als sähe sie etwas Schreckliches vor ihrem inneren Auge.
»Das tut mir leid«, sagte Eva. »Ich wusste nicht …«
»Nein, das behalte ich auch immer schön für mich. Aus gutem Grund! Ich will nicht, dass mich jemand einlädt, weil er Mitleid mit mir hat. Hey, wir dürfen das alte Schrapnell nicht vergessen, sonst sitzt sie alleine in ihrer Bude und heult ins Kissen! Alles, nur das nicht. Da bin ich lieber die fidele Tante, die immer einen Witz parat hat.«
»Irmela. Für mich bist du weder ein Schrapnell noch eine billige Stimmungskanone. Du bist einfach eine tolle Freundin mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Und ich wette, dassehen die meisten anderen genauso. Aber um die geht es nicht, es geht um dich. Deine Ängste und deine Trauer um das, was du verloren hast, kann ich gut verstehen. Die meisten von uns wünschen sich Kinder und eine funktionierende Familie, doch viele bekommen sie nie. Oder verlieren sie wieder. Das ist traurig.«
»Ich hab nie wieder einen Mann gefunden, bei dem ich das Gefühl hatte, es könnte noch mal was werden. Verstehst du? Ich … ich glaube, ich habe diesen verdammten Scheißkerl geliebt.« Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, und Eva sah, wie es sie schüttelte.
Eva ließ sie weinen. Es gab nicht viel zu sagen.
Nach einer Weile wurden Irmelas Schluchzer allmählich leiser, sie kramte nach einem Taschentuch. »Oh Gott, wenn es mich packt, dann ist es immer schlimm«, sagte sie. Ihre Stimme klang rau. »Verstehst du, warum ich nicht gerne darüber rede? Schlimm genug, wenn ich alleine zu Hause sitze. Aber das in der Öffentlichkeit …«
»Betrachte mich als Privatvergnügen«, sagte Eva mit leisem Lächeln. »Nicht als Öffentlichkeit. Und ich finde es wichtig, ab und zu auch mal traurig sein zu dürfen.«
Irmela wischte sich das Gesicht und sah Eva an. »Vermutlich hast du recht. Aber du brauchst dir trotzdem keine Sorgen zu machen, dass ich hier ständig als heulendes Elend herumsitze. Jetzt weißt du mein dunkelstes Geheimnis, und jetzt ist wieder Schluss damit.« Ihr Lächeln war das eines traurigen Clowns. »Also denk nur nicht, du müsstest bei mir einziehen, weil ich so verdammt einsam bin! Das hat nichts damit zu tun. Meine Wohnung ist einfach zu groß, basta. Und wenn wir ab und zu mal abends dasitzen und klönen, wäre das nett, weiter nichts.«
Eva lächelte zurück. »Ich weiß. Obwohl es vielleicht noch so weit kommt, dass wir als alte Weiber hier zusammenhocken und uns gegenseitig unser Leid klagen.«
»Um Gottes willen!« Irmela sah ganz erschrocken aus.
»Nein, keine Angst. Wir geben einfach nicht auf. Wer weiß, welchen wunderbaren Männern wir noch begegnen und was noch alles passiert? Wir sind doch noch jung.«
»Du vielleicht.«
»Du auch. Im Kopf, verstehst du, und darauf kommt es an. Wir können noch alles machen – fast alles.«
Irmelas schicke Zähne beschrieben einen Bogen von einem Ohr bis zum anderen. »Na, erst mal sollten wir bloß den Abwasch machen, was meinst du? Nicht, dass du noch denkst, eine WG mit mir wäre das reinste Zuckerschlecken! Und dann machen wir dir ein Zimmer fertig,
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