Evas Auge
– können wir das nachher besprechen?«
»Alles klar.«
Sejer bekam ein Glas Limonade und bedankte sich.
»Haben Sie Marie Durban gekannt?« fragte Sejer.
»Nein, überhaupt nicht. Aber ich hatte ja von ihr gehört. Evas und Majas Wege hatten sich getrennt, als sie noch sehr jung waren. Aber vorher waren sie wohl die dicksten Freundinnen. Sie wissen ja, wie Mädels sind, da geht es dann um Leben und Tod. Daß Maja ermordet worden war, hatte Eva aus purem Zufall in der Zeitung gelesen. Sie hatten sich seit 69 nicht mehr gesehen. Oder vielleicht auch seit 70?«
»Abgesehen von dem Tag, an dem Durban ermordet wurde.«
»Nein, das war am Vortag.«
»Da sind sie sich in der Stadt begegnet«, sagte Sejer. »Am nächsten Tag hat Eva Maja in ihrer Wohnung besucht.«
Magnus blickte auf.
»Haben Sie das nicht gewußt?« fragte Sejer.
»Nein«, sagte Magnus langsam. »Sie – naja. Nein, sie wollte es mir sicher nicht erzählen«, sagte er stirnrunzelnd.
Sejer stutzte leicht.
»Sagt Ihnen der Name Egil Einarsson etwas?« fragte er dann. Er trank seine Limonade und fühlte sich leicht und frei, dies war schließlich ein Haus der Unschuld, und das war ziemlich befreiend.
»Nein, das glaube ich nicht. Wenn so nicht der Mann geheißen hat, der vor ein paar Wochen aus dem Fluß gefischt worden ist.«
»Genau so hieß er.«
»Ach? Na, dann. Ja, ich habe natürlich die ganze Geschichte gehört.«
Er zog eine mahagonifarbene Pfeife aus der Hemdtasche und suchte auf dem Tisch nach Streichhölzern.
Die üppige Sofie wuselte herum, jetzt hielt sie in der einen Hand eine Tüte Erdnüsse und suchte mit der anderen im Schrank nach einer Schale. Sejer konnte Erdnüsse nicht ausstehen.
»Aber ich habe keine Ahnung, wer er war. In der Zeitung war ja ein Bild«, Magnus riß ein Streichholz an, zog zweimal kräftig an der Pfeife und stieß dann den Rauch aus, »aber obwohl wir in einer kleinen Stadt wohnen, habe ich ihn nicht gekannt. Eva kannte ihn übrigens auch nicht.«
»Eva?«
»Sie hat ihn doch gewissermaßen aus nächster Nähe gesehen. Obwohl er sich da nicht so besonders ähnlich gesehen hat, ja, ich dachte, Sie wären deshalb gekommen. Weil sie die Leiche gefunden haben, Eva und Emma. Es war wohl ziemlich schlimm für Emma, aber wir haben darüber geredet, meine Tochter und ich, sie kommt ja jedes zweite Wochenende her. Ich glaube, jetzt hat sie es endlich vergessen. Aber bei Kindern weiß man ja nie. Manchmal halten sie einfach die Klappe, um uns Erwachsene zu schonen.«
Endlich brannte die Pfeife richtig. Sejer starrte in die sprudelnde Limonade, und diesmal suchte ausnahmsweise er nach Worten.
»Ihr Exfrau – sie hat Einarssons Leiche gefunden?«
»Ja. Ich dachte, das wüßten Sie. Eva hat doch die Polizei informiert. Sind Sie denn nicht deshalb gekommen?« fragte Magnus überrascht.
»Nein«, sagte Sejer. »Uns hat eine ältere Dame angerufen. Sie hieß Markestad, glaube ich. Erna Markestad.«
»Ach? Dann haben in der Verwirrung sicher mehrere angerufen. Aber Eva und Emma haben ihn als erste gefunden. Sie haben von einer Telefonzelle aus die Polizei angerufen, Emma hat mir die ganze Geschichte erzählt. Sie machten gerade einen Spaziergang, unten am Fluß. Das tun sie oft, Emma macht das solchen Spaß.«
»Emma hat Ihnen das erzählt – nicht Eva?«
»Äh, nein. Und Emma hat es auch nicht sofort erwähnt. Aber später haben wir dann darüber gesprochen.«
»Ist das nicht ein bißchen seltsam? Ich meine, ich weiß ja nicht, wie oft Sie miteinander reden, aber …«
»Doch«, sagte Magnus leise. »Das ist schon seltsam. Daß sie das nicht selber erzählt hat. Wir sprechen ziemlich viel miteinander. Emma hat es mir auf der Fahrt hierher erzählt. Daß sie am Fluß einen Spaziergang machten, als dieser arme Teufel ans Ufer getrieben wurde. Danach sind sie losgerannt und haben von einer Zelle aus angerufen. Und dann waren sie im McDonald’s. Das entspricht übrigens Emmas Vorstellung vom Paradies auf Erden«, er grinste.
»Haben sie nicht auf unsere Leute gewartet?«
»Nein, offenbar nicht. Aber …«
Beide verstummten, und zum ersten Mal schien Jostein Magnus sich seine Gedanken zu machen.
»Aber es ist nicht richtig von mir, Eva auf diese Weise bloßzustellen. Darüber zu diskutieren, was sie erzählt, und was nicht. Sie hat sicher ihre Gründe. Und bei Ihnen sind bestimmt mehrere Anrufe eingegangen, und nur einer ist registriert worden. Nicht wahr?«
Sejer nickte. Er hatte jetzt kurz nachdenken
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