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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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darüber nachgedacht.«
    »Ostnorwegischer Akzent?«
    »Äh, ja, oder nein, ich weiß nicht mehr, ob er einen besonderen Akzent hatte, sowas fällt mir nie auf. Und ich war ziemlich fertig, wegen Emma, und überhaupt. Und Einarsson war wirklich kein angenehmer Anblick.«
    Sie ging jetzt ins Wohnzimmer, immer noch rückwärts. Er ging hinterher.
    »Alt oder jung?«
    »Keine Ahnung.«
    »An diesem Nachmittag hatte allerdings eine Kollegin Telefondienst«, log er.
    Eva blieb stehen.
    »Ach? Dann war sie sicher auf dem Klo oder so«, sagte sie rasch. »Ich habe mit einem Mann gesprochen, das weiß ich jedenfalls genau.«
    »Hatte der einen südnorwegischen Akzent?«
    »Mein Gott, das weiß ich wirklich nicht. Es war ein Mann, mehr weiß ich nicht mehr. Ich habe angerufen, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
    »Und – was hat er gesagt?«
    »Was er gesagt hat? Ach, nicht viel, er wollte wissen, von wo aus ich anrief.«
    »Und danach?«
    »Eigentlich nichts mehr.«
    »Aber er hat Sie gebeten, am Tatort zu warten?«
    »Nein. Ich habe ihm nur genau sagen müssen, wo die Leiche lag.«
    »Was?«
    »Ja. Ich habe gesagt, ungefähr beim Bürgerhaus. Beim Flößerdenkmal.«
    »Und dann sind Sie gegangen?«
    »Ja. Wir sind essen gegangen. Emma hatte Hunger.«
    »Liebe Frau Magnus«, sagte er langsam. »Wollen Sie mir wirklich erzählen, Sie hätten einen Leichenfund gemeldet und seien nicht einmal gebeten worden, zu warten?«
    »Aber mein Gott, ich bin doch nicht für die Fehler verantwortlich, die Ihre Leute im Dienst begehen! Er kann doch jung und unerfahren gewesen sein, oder was weiß ich, meine Schuld ist es jedenfalls nicht.«
    »Er kam Ihnen also jung vor?«
    »Nein, ich weiß nicht, auf sowas achte ich nicht.«
    »Künstler achten immer auf sowas«, sagte er kurz. »Sie sind aufmerksam, sie registrieren alles, alle Einzelheiten. Stimmt das nicht?«
    Sie gab keine Antwort. Sie kniff den Mund zu einem schmalen Strich zusammen.
    »Ich will Ihnen etwas verraten«, sagte er leise. »Ich glaube Ihnen nicht.«
    »Das ist dann Ihr Problem.«
    »Soll ich Ihnen verraten, warum nicht?«
    »Das interessiert mich nicht.«
    »Weil«, fuhr er fort und senkte die Stimme noch weiter, »alle gerade von solchen Anrufen träumen. Beim langen, langweiligen Nachmittagsdienst. Nichts kann einen Polizeibeamten mehr anfeuern, mehr anspornen, als ein Toter im Fluß, an einem öden Nachmittag, mitten zwischen Streitereien zwischen Nachbarn, Autodiebstählen und dem Gekeife aus der Ausnüchterungszelle. Verstehen Sie?«
    »Dann war der Mann wohl eine Ausnahme.«
    »Ich habe im Dienst ja schon einiges erlebt«, gestand er, und ihn schauderte bei der Erinnerung, »aber das nicht.«
    Jetzt blockierte sie endgültig, sie starrte ihn nur noch trotzig an.
    »Arbeiten Sie gerade an einem Bild?« fragte er plötzlich.
    »Ja, natürlich. Davon lebe ich ja schließlich, wie Sie wissen.«
    Sie stand noch immer, und deshalb konnte auch er sich nicht hinsetzen.
    »Das ist wohl nicht leicht. Davon zu leben, meine ich.«
    »Nein, wie schon gesagt, es ist nicht leicht. Aber wir kommen zurecht.«
    Sie wurde langsam unruhig, wagte aber nicht, ihn vor die Tür zu setzen. Das wagte niemand. Sie wartete, mit schmalen Schultern, hoffte, er werde gehen, damit sie wieder frei atmen konnte, so frei, wie es ihr nur möglich war, bei dem Wissen, das sie mit sich herumtrug.
    »In der Not frißt der Teufel Fliegen«, sagte er scharf. »Sie bezahlen im Moment Ihre Rechnungen ungeheuer pünktlich. Im Vergleich zur Zeit vor Durbans Tod. Damals lagen Sie überall im Rückstand. Das ist bewundernswert, das muß ich wirklich sagen.«
    »Was in aller Welt wissen Sie denn davon?«
    »Ein Anruf genügt. Bei der Gemeinde, dem Elektrizitätswerk, der Post. Es ist schon witzig, wenn man von der Polizei aus anruft. Dann strömen die Informationen nur so.«
    Sie schwankte kurz, riß sich dann aber zusammen und erwiderte seinen Blick. Ihre Augen flackerten wie Fackeln in heftigem Wind.
    »War Ihre Tochter auch mit in der Telefonzelle?« fragte er wie nebenbei.
    »Nein, sie wartete draußen vor der Türe. Es war so eng in der Zelle. Und Emma braucht ziemlich viel Platz.«
    Er nickte. Sie hatte sich wieder umgedreht, weg von ihm.
    »Aber Sie wußten, daß Durban und Einarsson sich gekannt hatten, nicht wahr?«
    Die Frage war ein Schuß ins Blinde, sie blieb im dunklen Flur hängen. Eva öffnete den Mund zu einer Antwort, schloß ihn wieder, öffnete ihn erneut, und er wartete geduldig und bohrte

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