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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Stück Kuchen leisten könnte, würde ich nicht überleben. Und ich meine, das schadet dem Selbstvertrauen doch auch!«
    Eva mußte über diese Bemerkung ein wenig lachen.
    »Es geht mir dreckig«, sagte sie dann plötzlich.
    Sie wollte sich nicht länger verstellen.
    »Ich habe hundertvierzig Kronen in der Brieftasche und in der Schublade unbezahlte Rechnungen für zehntausend Kronen. Heute stellen sie mir das Telefon ab, und ich habe die Versicherung für das Haus nicht bezahlt. Aber ich warte jetzt auf Geld, es muß in den nächsten Tagen eintreffen. Ich bekomme ein Stipendium«, sagte sie stolz. »Vom Staatlichen Kunstrat.«
    »Du lebst also von der Fürsorge?«
    »Nein, Himmel, das doch nicht!«
    Eva verlor die Fassung. »Ich bekomme das Geld, weil meine Arbeit als wichtig und vielversprechend eingestuft wird, und weil ich auf diese Weise weiter arbeiten und mich entwickeln kann, um dann früher oder später auf meinen eigenen künstlerischen Füßen zu stehen.«
    Das hatte gesessen.
    »Entschuldigung«, sagte Maja kleinlaut. »Ich kenne mich mit diesen Begriffen eben nicht aus. Das ist also etwas Positives – ein Stipendium zu erhalten?«
    »Selbstverständlich. Darauf hoffen doch alle.«
    »Ja, vom Staat werde ich nun wirklich nicht unterstützt.«
    »Das wäre ja auch noch schöner«, Eva grinste.
    »Ich hole noch Kaffee.«
    Eva fischte eine neue Zigarette aus der Schachtel und blickte der molligen Gestalt hinterher. Sie konnte es nicht fassen, daß Maja so geworden war. Die Maja, die sie so gut zu kennen glaubte. Aber, zwei Millionen zu verdienen, das war nun wirklich keine Kleinigkeit – konnte das denn wirklich stimmen? War das so leicht? Eva überlegte, was sie mit zwei Millionen machen könnte. Sie könnte alle Schulden bezahlen. Eine kleine Galerie kaufen. Nein, es konnte nicht stimmen, zwei Millionen, vielleicht hatte Maja ein bißchen zu dick aufgetragen. Obwohl, sie war ja eigentlich keine Lügnerin. Sie hatten einander doch nie angelogen!
    »Bitte sehr! Hoffentlich kriegst du den Kaffee nicht in den falschen Hals, jetzt, wo du weißt, woher das Geld kommt.«
    Eva mußte lachen. »Nein, der schmeckt noch immer genauso gut«, sie lächelte.
    »Hab’ ich’s mir doch gedacht! Ist das nicht seltsam? Genauso sieht die ganze Sache doch aus: Was wir brauchen, was wir uns wünschen, das treibt uns auch an. Und wenn wir unser Ziel erreichen, sind wir für einige Zeit zufrieden, dann setzen wir uns neue Ziele. Ich mache das jedenfalls. Und auf diese Weise spüre ich, daß ich lebe, daß etwas passiert, daß ich vorankomme. Ich meine, wie lange stehst du schon auf derselben Stufe? Künstlerisch und finanziell?«
    »Ach, ziemlich lange. Auf jeden Fall seit zehn Jahren.«
    »Und jünger wirst du dabei auch nicht. Ich finde, das klingt alles überhaupt nicht gut. Was malst du denn eigentlich? Landschaften?«
    Eva trank ihren Kaffee und richtete sich auf eine lange Verteidigungsrede ein.
    »Abstrakt. Und ich male in Schwarzweiß und den Zwischentönen.«
    Maja nickte geduldig.
    »Ich habe im Laufe der Jahre eine eigene Technik entwickelt«, sagte Eva. »Ich spanne eine Leinwand auf, grundiere sie in Weiß und trage eine Schicht Hellgrau auf, eine ziemlich dicke Schicht, und wenn die trocken ist, kommt eine noch dunklere Schicht, und so mache ich weiter, bis ich bei Tiefschwarz angekommen bin. Und dann lasse ich alles trocknen. Lange. Schließlich stehe ich dann vor einer großen schwarzen Fläche, und in die muß ich hineingehen, um das Licht hervorzuholen.«
    Maja hörte mit höflicher Miene zu.
    »Und dann fange ich an zu arbeiten«, fuhr Eva fort, wurde immer eifriger, denn nur selten hörte ihr jemand so aufmerksam zu, und das war wunderbar, sie mußte diese Gelegenheit ausnutzen.
    »Ich kratze das Bild hervor. Ich arbeite mit einem altmodischen Malspachtel und mit Stahlbürste und manchmal auch mit Sandpapier und Messer. Wenn ich leicht kratze, bekomme ich Grautöne, wenn ich weitermache, komme ich bis zum Weißen und kann viel Licht herausholen.«
    »Aber was stellen deine Bilder denn dar?«
    »Ach, ich weiß nicht, wie ich das beantworten soll. Wer das Bild sieht, muß selber entscheiden, was darauf zu sehen ist. Es wächst auf irgendeine Weise aus sich heraus. Es gibt nur Licht und Schatten, Licht und Schatten. Mir gefallen meine Bilder, ich finde sie gut. Ich weiß, daß ich eine große Künstlerin bin«, schloß sie trotzig.
    »Das war ja nicht sehr bescheiden.«
    »Nein. Das ist die notwendige Härte

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