Evas Auge
Termin, und ich empfange sie dann. Du weißt, die Leute haben so viele Bedürfnisse, und gerade diese Marktlücke ist wirklich tief. Ungefähr so tief wie der Marianengraben im Pazifik, stelle ich mir vor. Aber um es einfach zu sagen, bin ich wohl ein Freudenmädchen. Oder, wenn du so willst, eine gute altmodische Nutte.«
Eva lief knallrot an.
Sie mußte sich verhört haben. Oder Maja machte Witze, das hatte sie schon immer gern getan.
»Eine was?«
Maja grinste und streifte Asche von ihrer Zigarette.
Und Eva mußte sie immer weiter anstarren, sie sah Maja jetzt mit ganz anderen Augen, sah den Goldschmuck, die teuren Kleider, die Armbanduhr und die zum Bersten gefüllte Brieftasche, die neben der Kaffeetasse auf dem Tisch lag. Und dann wieder Majas Gesicht, das ihr plötzlich sehr fremd erschien.
»Du hast dich immer schon leicht schockieren lassen«, sagte Maja trocken.
»Ja, ehrlich gesagt, du mußt schon entschuldigen, aber das hat mich jetzt wirklich umgehauen.«
Sie versuchte, ihre Fassung wiederzufinden. Das Gespräch führte in eine unbekannte Landschaft, und sie versuchte, sich zu orientieren.
»Ja, aber du gehst doch sicher nicht auf den Strich, ich meine, so siehst du nicht aus.«
Sie kam sich unbeholfen vor.
»Nein, Eva Marie, das mache ich nicht. Ich bin auch nicht rauschgiftsüchtig. Ich arbeite hart, genau wie andere Leute. Nur bezahle ich keine Steuern.«
»Hast du … wissen viele, daß du das machst?«
»Nur meine Kunden, und ich habe viele. Die meisten sind Stammkunden. Das läuft im Grunde ziemlich gut, die Buschtrommel funktioniert, und der Laden floriert. Ich platze nicht gerade vor Stolz, aber ich schäme mich auch nicht.«
Sie schwieg eine Weile. »Na, wie sieht’s aus, Eva?« fragte sie dann und zog an ihrer Zigarette. »Meinst du, ich müßte mich schämen?«
Eva schüttelte den Kopf. Aber der bloße Gedanke, die ersten zaghaften, flimmernden Bilder, die sich zeigten, wenn sie an Maja und deren Tätigkeit dachte, oder wenn sie sich selber in dieser Situation sah, ließen Übelkeit in ihr aufsteigen.
»Nein, Himmel, ich weiß es nicht. Es war nur so – unerwartet. Ich begreife nicht, daß du das nötig hast.«
»Habe ich auch nicht. Ich habe mich dafür entschieden.«
»Aber wie kannst du dich für so etwas entscheiden?«
»Das ist ganz einfach. Viel Geld in der kürzestmöglichen Zeit. Steuerfrei.«
»Aber – deine Gesundheit! Ich meine, was passiert mit deinem Selbstbewußtsein? Wenn du dich an Gott und die Welt wegwirfst?«
»Ich werfe überhaupt nichts weg, ich verkaufe. Wir alle müssen Job und Privatleben trennen, und mir macht das keine Schwierigkeiten.«
Sie lächelte, und Eva sah, daß sich ihre Lachgrübchen im Laufe der Jahre vertieft hatten.
»Aber was würde ein Mann sagen, wenn er das erführe?«
»Entweder er akzeptiert es, oder nicht«, antwortete Maja kurz.
»Aber ist das nicht eine ziemlich schwere Last, die du da trägst, so Jahr für Jahr? Es gibt doch sicher massenhaft Leute, denen du das nicht erzählen kannst.«
»Hast du denn keine Geheimnisse? Das haben doch alle. Du hast dich übrigens überhaupt nicht verändert«, fügte Maja dann hinzu, »du machst dir, alles so schwer, du stellst zu viele Fragen. Ich wünsche mir eine kleine Pension, am liebsten an der Küste, vielleicht in der Normandie. Am liebsten in einem alten Haus, das ich selber renovieren kann. Ich brauche zwei Millionen, Ende des Jahres habe ich die, und dann geht’s los.«
»Zwei Millionen?« Eva war wie erschlagen.
»Und ich habe eine Menge gelernt.«
»Was kannst du denn dabei lernen?«
»Ach, alles mögliche. Wenn du wüßtest. Viel mehr als du beim Malen lernst, möchte ich meinen. Und wenn du etwas lernst, dann sicher nur über dich selber. So ein Künstlerleben kommt mir irgendwie ein bißchen egoistisch vor. Du erforschst dabei dich selber. Und nicht die Menschen in deiner Umgebung.«
»Jetzt hörst du dich an wie mein Vater.«
»Wie geht es dem denn?«
»Nicht so gut. Er lebt jetzt allein.«
»Ach? Das wußte ich nicht. Was ist mit deiner Mutter passiert?«
»Das erzähle ich dir ein andermal.«
Sie schwiegen und ließen ihren Gedanken freien Lauf. Von außen gesehen, schienen sie überhaupt nicht zueinander zu passen, nur ein scharfes Auge hätte sie als Freundinnen erkennen können.
»Beruflich sind wir wohl beide Außenseiterinnen«, sagte Maja. »Aber ich verdiene immerhin Geld, und dafür arbeiten wir doch trotz allem. Wenn ich mir im Café nicht ein
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