Evas Auge
Beinen gesehen. Kriegst du überhaupt Hosen, die lang genug für dich sind?«
»Ich trage nur Röcke.«
Eva brach plötzlich in hysterisches Kichern aus.
»Was ist los?«
»Erinnerst du dich an Frau Skollenborg?«
»Erwähn bloß diesen Namen nicht!«
Sie verstummten.
»Mußt du wirklich dieses Hotel in der Normandie aufmachen?«
»Ja, hier in diesem Spießbürgerland kommt das für mich nicht in Frage.«
»Also werde ich dich wieder verlieren. Jetzt, wo ich dich gerade gefunden habe!«
»Dann komm doch einfach mit. Frankreich muß doch genau richtig sein für eine Künstlerin wie dich, meinst du nicht?«
»Du weißt, daß das nicht geht.«
»Nein, das weiß ich überhaupt nicht.«
»Ich habe doch Emma. Sie ist sechs, wird bald sieben. Geht noch in den Kindergarten.«
»Meinst du, in Frankreich können Kinder nicht aufwachsen?«
»Doch, aber sie hat auch ja noch einen Vater.«
»Aber du hast doch das Sorgerecht für sie?«
»Das schon«, Eva seufzte leise.
»Du machst alles so schwierig«, sagte Maja ruhig. »Das war immer schon so. Natürlich kannst du mit nach Frankreich kommen, wenn du willst. Du kannst im Hotel arbeiten. Fünf Minuten pro Nacht, dann stapfst du im Nachthemd mit einem fünfarmigen Leuchter über den Flur. Ich wünsche mir meinen eigenen Spuk. Und in der ganzen übrigen Zeit kannst du malen.«
Eva leerte ihre Kaffeetasse. Für kurze Zeit hatte sie den Alltag vergessen, aber nun brach er wieder über sie herein.
»Hast du schon ans Abendessen gedacht?«
»Abends esse ich nie groß. Ich esse Käse und, Brot, Essen ist mir nicht so wichtig.«
»Was redest du für einen Unfug! Kein Wunder, daß du so mager bist. Wie willst du richtige Kunst zustande bringen, wenn du nicht ißt, was du brauchst? Du brauchst Fleisch! Und deshalb gehen wir jetzt essen, wir gehen ins Hannas Kjøkken.«
»Das ist das teuerste Restaurant in der Stadt!«
»Ach was? Auf sowas brauche ich nicht zu achten, ich weiß nur, daß es dort das beste Essen gibt.«
»Und ich habe schon soviel Kuchen gegessen.«
»Bis das Essen auf dem Tisch steht, hat der sich längst gesetzt.«
Eva gab auf und fügte sich. So war es immer schon gewesen. Maja hatte die Ideen, Maja entschied und führte an, und Eva trottete hinterher.
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S ie verließen das Warenhaus und gingen Arm in Arm über den gepflasterten Platz, jede spürte die Wärme der anderen, spürte, daß sie noch dieselbe war wie früher. Eva hatte oft die Tür des Restaurants angestarrt, ein Besuch dort jedoch hatte weit außerhalb ihrer Möglichkeiten gelegen. Jetzt wurde die Tür für sie geöffnet, und Maja ging mit selbstverständlichem Lächeln hinein, während Eva nach einer angemessen selbstsicheren Miene erst suchen mußte. Der Oberkellner kannte Maja und lächelte, ein höfliches Lächeln. Wenn er wußte, durch welche Aktivitäten Maja ihre Rechnungen bezahlte, dann ließ er sich das nicht anmerken. Er berührte vorsichtig Majas Arm und führte sie und Eva zu einem freien Tisch. Eva mußte an der Garderobe ihren Mantel abgeben, darunter trug sie ein verwaschenes senfgelbes T-Shirt, und deshalb fühlte sie sich gar nicht wohl in ihrer Haut.
»Das Übliche, Robert«, sagte Maja. »Für zwei Personen.«
Robert nickte und verschwand.
Eva ließ sich im Sessel zurücksinken und sah sich aus großen Augen um. Das Lokal war von einer exklusiven Stille, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Maja machte sich am Tisch breit und schien vollständig unberührt.
»Erzähl mir doch ein bißchen, wie das ist«, bat Eva neugierig, »so zu arbeiten wie du.«
Maja legte den Kopf schräg.
»Ach, du bist neugierig? Hab ich’s mir doch gedacht! So sind die Leute alle.«
Eva machte ein beleidigtes Gesicht.
»Im Grunde ist das ziemlich belanglos. Ich meine, alles wird zur Routine.«
Maja starrte die Tischdecke an und schien plötzlich verlegen zu sein.
»Ich wundere mich immer wieder über die Triebe der Männer. Wie unglaublich stark die sind, wie schrecklich wichtig es ist, sie zu befriedigen, und wie schnell sie damit fertig sind. Vielleicht finden sie das den allerbesten Sex«, sagte Maja nachdenklich, »den heftigen, rohen Akt ohne Vorspiel und anderen Schnickschnack. Kein Wenn und Aber. Es dauert zehn Minuten, und dann ist es vorbei. Es reicht nicht mal, um dabei nachzudenken. Ich gebe mir sogar alle Mühe, um nicht zu denken. Ich lächele einfach so schön, wie ich kann, wenn sie die Rechnung bezahlen. Aber eigentlich …«
»Ja?«
»Ich höre bald auf. Es
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