Evas Auge
Steintreppe und starrte den grünen Möbelwagen an.
»Du hast nie meine Briefe beantwortet«, sagte Maja plötzlich. Und gekränkt.
»Nein. Mein Vater hat mich immer dazu überreden wollen, aber ich habe mich geweigert. Ich war sauer und verbittert, weil wir umgezogen waren. Ich wollte mich an ihm rächen.«
»Aber ich hatte darunter zu leiden.«
»Ja, in der Hinsicht bin ich nicht sehr geschickt. Rauchst du noch?« Sie durchwühlte ihre Tasche nach ihren Zigaretten.
»Wie ein Schlot. Aber nicht dieses Kraut da.«
Maja zog eine Packung Rød Mix aus der Jackentasche und drehte sich eine Zigarette.
»Wovon lebst du denn eigentlich?«
Die Verzweiflung ließ Evas Wangen glühen. Es war eine unschuldige Frage, aber ihr war sie verhaßt. Sie fühlte sich versucht, eine Notlüge aufzutischen, aber Maja ließ sich nicht so leicht an der Nase herumführen. Eva hatte das jedenfalls noch nie geschafft.
»Das frage ich mich manchmal selber. Ich male.«
Maja hob die Augenbrauen.
»Du bist also Künstlerin?«
»Wahrscheinlich, auch wenn die meisten da nicht meiner Ansicht sind. Ich meine, ich verkaufe nicht viel, aber das betrachte ich als einen vorübergehenden Zustand. Sonst würde ich wohl nicht weitermachen.«
»Aber hast du denn gar keine Arbeit?«
»Arbeit?«
Eva starrte sie an.
»Meinst du vielleicht, die Bilder entstehen von selber? Natürlich habe ich Arbeit. Und das ist nicht gerade ein Achtstundentag, das kann ich dir sagen. Meine Arbeit verfolgt mich abends bis ins Bett. Sie läßt mir keine Ruhe. Und dann würde ich am liebsten wieder aufstehen und etwas am Bild verändern.«
Maja bedachte sie mit einem schiefen Lächeln.
»Entschuldige meine ungeschickte Formulierung. Ich wollte nur wissen, ob du noch einen kleinen Nebenjob mit festem Gehalt hast.«
»Dann hätte ich doch keine Zeit zum Malen«, sagte Eva mürrisch.
»Ja, das begreife ich. So ein Bild zu malen dauert ja vielleicht seine Zeit?«
»Ein halbes Jahr ungefähr.«
»Was? Sind deine Bilder so groß oder so schwierig oder was?«
Eva seufzte und zündete ihre Zigarette an. Maja hatte blutroten Nagellack und gepflegte Hände, ihre eigenen Finger dagegen waren das reine Trauerspiel.
»Niemand begreift, wie schwer das ist«, sagte sie resigniert. »Alles glaubt, wir ernten in irgendeinem geheimen Garten reife Früchte.«
»Ich kenne mich mit Kunst eben nicht aus«, sagte Maja leise. »Ich wundere mich nur darüber, daß jemand sich für ein solches Leben entscheidet, wenn es so schwierig ist. Wo du doch ein Kind hast und überhaupt.«
»Ich habe mich auch nicht dafür entschieden.«
»Das mußt du doch getan haben!«
»Nein, eigentlich nicht. Ich mußte einfach Künstlerin werden. Es gab keine Alternativen.«
»Das begreife ich nicht. Es gibt doch wohl immer Alternativen?«
Eva gab ihre Erklärungsversuche auf. Sie hatte beide Kuchenstücke aufgegessen, um Maja eine Freude zu machen, und jetzt war ihr schlecht.
»Erzähl mir lieber, was du selber so machst. Was immer das ist, auf jeden Fall verdienst du mehr als ich.«
Maja gab sich Feuer.
»Ganz bestimmt. Genau wie du bin ich selbständige Geschäftsfrau. Habe eine kleine Einpersonenfirma. Arbeite hart und zielbewußt, um mir genug Geld zusammenzusparen; Ende des Jahres möchte ich nämlich aufhören. Dann gehe ich nach Nordfrankreich und mache ein kleines Hotel auf. Vielleicht in der Normandie. Das ist ein alter Traum von mir.«
»Sowas, du meine Güte!«
Eva rauchte und wartete auf den Rest.
»Es ist harte Arbeit und verlangt ziemlich viel Selbstdisziplin, aber das ist es wert. Es ist ganz einfach ein Mittel zum Zweck, und ich höre erst auf, wenn ich habe, was ich will.«
»Ja, das kann ich mir lebhaft vorstellen.«
»Wenn du aus anderem Stoff wärst, Eva, dann würde ich dir eine Partnerschaft anbieten.«
Maja beugte sich vor. »Ohne Eigenkapital. Mit ausführlicher Berufseinführung. Und du könntest in Rekordzeit ein Vermögen verdienen. Das solltest du machen! Dann könntest du das Geld für eine kleine Galerie beiseite legen. Das müßtest du ziemlich schnell schaffen, sagen wir, innerhalb von zwei Jahren. Alle anderen Wege zum Ziel sind Umwege, wenn du mich fragst.«
»Aber – was machst du denn nun eigentlich?«
Eva sah ihre Freundin verwundert an. Maja hatte beim Reden die Serviette zu einem harten Klumpen zusammengeknüllt, jetzt blickte sie Eva direkt in die Augen.
»Nennen wir es eine Form von Kundenbehandlung. Die Leute rufen an und bitten um einen
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