Evas Auge
Hopfenstange. Kannst du irgendwas mit deinen Haaren anstellen?«
»Nein.«
»Na gut. Dann muß ich dir nur noch eine winzige Kleinigkeit zeigen. Leg dich aufs Bett, Eva.«
»Was? Wieso denn?«
»Mach es einfach, leg dich aufs Bett.«
Eva zögerte, aber dann ging sie zum Bett und legte sich mitten darauf.
»Nein, mehr zur Seite, nach rechts, sonst liegst du auf der Ritze.«
Eva rutschte an die Kante.
»Jetzt faß mit der rechten Hand den Boden an.«
»Was?«
»Laß deinen Arm über die Bettkante hängen. Und dann tastest du am Rand des Bettvorlegers entlang, neben dem Bett, spürst du da etwas Hartes?«
»Ja.«
»Schieb die Hand unter den Teppich und reiß es los, es ist festgeklebt.«
Eva tastete mit der rechten Hand zwischen den Teppichfransen herum, bis sie etwas Langes, Glattes spürte, das neben dem Bett befestigt war. Sie riß daran. Es war ein Messer.
»Siehst du dieses Messer, Eva? Das ist ein Hunter, von Brusletto. Wenn du findest, daß es schrecklich aussieht, dann hat es seinen Zweck erreicht. Es dient zur Abschreckung und zur Warnung. Falls jemand Quatsch macht. Wenn du nach unten faßt und dann das Messer in der Faust hast, und er sitzt da mit nacktem Hintern und freihängendem Besteck, dann kriegt er sich garantiert ganz schnell wieder ein.«
»Aber – du hast doch gesagt, daß sowas nicht vorkommt?« stammelte Eva. Es war ihr jetzt ausgesprochen unbehaglich zu Mute.
»Nein«, sagte Maja ausweichend. »Nur ein paar jämmerliche Versuche.« Sie bückte sich und brachte das Messer wieder an. Eva konnte ihr Gesicht nicht sehen. »Aber es kommt ja vor, daß einer sich ein bißchen aufspielt. Ich kenne nicht alle gleich gut. Und außerdem sind Männer ja viel stärker als wir.«
Sie machte sich am Klebeband zu schaffen. »Eigentlich vergesse ich ja, daß das Messer da unten steckt. Aber wenn es sein muß, dann fällt es mir sofort wieder ein, das kann ich dir sagen.«
Sie richtete sich wieder auf. Jetzt zeigte sie ihr altes Lächeln. »Ich bin vielleicht leichtsinnig, aber unvorbereitet bin ich nicht. Komm her, du brauchst ein bißchen Lippenstift.«
Eva zögerte kurz, dann ging sie barfuß über den dicken Teppich. Das hier ist eine andere Welt, dachte sie, mit ihren eigenen Regeln. Nachher, wenn ich wieder zu Hause bin, wird alles so sein wie früher. Zwei Wände, mit einer Mauer dazwischen.
Sie saß ganz still auf einem Schemel hinter der Tür. Das Zimmer war dunkel, und von außen konnte niemand sie sehen. Durch den Türspalt sah sie Majas Bett, sie sah den Nachttisch und die Lampe mit dem großen, mit einem rosa Flamingo dekorierten Schirm. Ansonsten war auch Majas Zimmer dunkel. Eva wartete auf die zwei kurzen Klingeltöne, das ausgemachte Signal. Es war fünf vor acht. Das Haus lag in einer stillen Straße, von draußen war kein Laut zu hören, nur gedämpfte Musik aus der Stereoanlage, Maja hörte Joe Cocker. Der wird auch jedes Jahr heiserer, dachte Eva. Sie hörte ein Auto, es hielt gleich unter dem Fenster an. Sie schaute noch einmal auf die Uhr, es war drei vor, und ihr Herz hämmerte lauter. Eine Autotür fiel ins Schloß. Dann hörte sie das dumpfe Geräusch der Haustür, die unten geschlossen wurde. Auf eine plötzliche Eingebung hin stand sie auf und ging ans Fenster. Sie starrte auf ein weißes Auto hinunter. Ein sportliches Modell, überlegte sie und schaute durch den Spalt zwischen den Vorhängen. Sie hatte einen scharfen Blick für Details. Das hier war ein Opel, gut in Schuß, aber nicht mehr ganz neu. Irgendwie sah der Wagen bekannt aus. Jostein hatte so einen gehabt, vor langer Zeit, als sie sich kennengelernt hatten. Sie schlich wieder zum Schemel zurück, setzte sich und legte die Hände in den Schoß. Die Türklingel ging zweimal kurz, wie abgemacht. Maja sprang auf und ging zur Tür, und plötzlich drehte sie sich um und hob den Daumen. Dann machte sie auf. Eva versuchte, ruhig zu atmen. Im Zimmer gab es so viele Textilien, sie hatte das Gefühl, daß die ihr die Luft abschnürten. Ein Mann kam in die Wohnung. Eva konnte ihn nicht deutlich sehen, aber er schien etwa Mitte Dreißig zu sein, ein untersetzter Mann mit dünnem blonden Haar. Im Nacken war sein Haar lang, er hatte es mit einem Gummi zu einem jämmerlichen Pferdeschwanz gebunden, und er trug Jeans. Die saßen nicht sehr gut, denn er hatte einen Bierbauch. Das fand sie einfach unerträglich, Mannsbilder, die wegen ihres Bauchs ihre Hosen nicht richtig anziehen konnten. Jostein war auch so, aber Jostein
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