Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
uns die Kundschaft jetzt zu zweit teilen. Und daß wir auf derselben Linie liegen. Dann wissen sie, was auf sie zukommt, und du kriegst die gleiche Art von Kunden wie ich.«
    »Ich würde mich gern im Kleiderschrank verstecken und euch heimlich zugucken«, seufzte Eva. »Sehen, wie du das machst. Und ich weiß einfach nicht, was ich zu ihnen sagen soll.«
    »Im Kleiderschrank ist es ein bißchen eng. Durch den Türspalt kannst du mehr sehen.«
    »Was?«
    »Ja, du kannst ja nicht gut am Fußende des Bettes stehen. Aber du kannst aus dem anderen Zimmer zuschauen. Wir machen das Licht aus und lehnen die Tür an, und da sitzt du dann und siehst dir alles an. Dann bekommst du einen kleinen Eindruck. Du kennst mich noch, sowas war mir noch nie peinlich.«
    »Himmel, ich könnte was zu trinken brauchen, ich zittere am ganzen Leib.«
    Maja deutete mit zwei Fingern eine Pistole an und zielte auf Evas Stirn.
    »Kommt nicht in Frage! Suff im Dienst ist streng verboten. Dann geht alles zum Teufel, Eva. Aber danach gehen wir wieder essen. Ich kann dir eins versprechen: Wenn du erst einmal angefangen hast, Geld zu verdienen, dann kommst du erst richtig auf den Geschmack. Wenn ich etwas haben möchte, dann greife ich in ein Glas und ziehe eine Handvoll Geldscheine heraus. Ich habe überall Geld, in Schubladen und Schränken, im Badezimmer, in der Küche, in Stiefeln und Schuhen, ich habe fast schon keinen Überblick mehr.«
    »Du hast doch wohl keine zwei Millionen in deiner Wohnung herumliegen?«
    Eva war blaß geworden.
    »Nein, nur das, was ich an Taschengeld brauche. Das große Geld habe ich im Ferienhaus versteckt.«
    »Im Ferienhaus?«
    »In dem von meinem Vater. Der ist vor vier Jahren gestorben, und deshalb gehört es jetzt mir. Du warst einmal da, weißt du noch, mit den anderen Mädels? Auf der Hardangervidda?«
    »Dein Vater ist tot?«
    »Ja, seit vier Jahren. Du kannst dir ja denken, was ihm den Hals gebrochen hat.«
    Eva verkniff sich höflich die Antwort.
    »Aber wenn da nun eingebrochen wird!«
    »Das Geld ist gut versteckt. Das findet so leicht niemand. Und Geldscheine sind ja doch sehr klein, die brauchen nicht viel Platz. Ich kann sie doch nicht auf die Bank bringen.«
    »Geld ist nicht alles«, Eva servierte eine Binsenweisheit. »Vielleicht stirbst du, ehe du Freude daran hast.«
    »Vielleicht stirbst du, ehe du überhaupt gelebt hast«, erwiderte Maja. »Aber für den Fall, daß ich ganz plötzlich krepiere, bist du hiermit zu meiner Alleinerbin ernannt. Ich gönne dir die Kohle.«
    »Wie nett, danke. Ich glaube, ich brauche eine Dusche«, sagte Eva. »Ich bin schweißnaß vor Angst.«
    »Dann los. Ich suche dir den Morgenrock heraus. Hat dir mal jemand gesagt, daß Schwarz dir sehr gut steht?«
    »Danke.«
    »Das war kein Kompliment. Ich meine nur, weil du immer Schwarz trägst!«
    »Ach«, sagte Eva verlegen. »Nein, ich kann mich nicht erinnern. Jostein konnte Schwarz nicht ausstehen.«
    »Ich weiß wirklich nicht, was du gegen Farben hast.«
    »Die – die stören auf irgendeine Weise.«
    »Stören was?«
    »Das, was wichtig ist.«
    »Und das ist …«
    »Alles andere.«
    Maja seufzte und räumte Gläser und Teller weg.
    »Euch Künstler zu verstehen, ist wirklich nicht leicht.«
    »Nein«, Eva grinste. »Aber irgendwer muß sich doch die Mühe machen und die Tiefe im Dasein aufzeigen. Damit ihr anderen an der Oberfläche surfen könnt.«
    Sie ging in das Zimmer, das ihr Zimmer werden sollte, und zog sich aus. Hörte Maja nebenan summen, hörte Kleiderbügel gegeneinanderstoßen. Majas Zimmer war grün, mit viel Gold, und Eva mußte an ihre eigene schwarzweiße Wohnung denken, beide Wohnungen waren durch einen Ozean voneinander getrennt.
    Die Duschkabine war winzig, die Wand gegenüber bedeckte ein großer Spiegel. Eva sah ihren langen Körper, und er kam ihr fremd vor. Als habe sie bereits auf das Eigentumsrecht verzichtet. Der Spiegel beschlug. Für einen Moment sah sie jung und glatt aus, und der geblümte Vorhang tauchte sie in ein rosiges Licht, dann war sie ganz verschwunden.
    »Ich darf nicht nachdenken«, sagte sie zu sich. »Ich muß einfach nur tun, was Maja sagt.«
    Sie duschte fertig, trocknete sich ab und ging wieder ins Zimmer, das im Vergleich zur Dusche kühl wirkte. Maja kam herein, sie hatte etwas Rotes über dem Arm liegen, einen Morgenrock. Eva schlüpfte hinein.
    »Super. Genau, was du brauchtest. Schaff dir rote Klamotten an, dann siehst du aus wie eine Frau, und nicht wie ein

Weitere Kostenlose Bücher