Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
und lehnte sich an eine Motorhaube. Seine Beine waren lang, sie versperrten ihr den Weg.
    »Ihn erwürgen, natürlich«, sie lächelte süß.
    »Ach ja, genau.«
    Er wieherte, als habe er plötzlich alles begriffen. Sein Overall war aus Nylon und paßte gut für seinen durchtrainierten Körper, Eva starrte durch seine gespreizten Beine das Nummernschild an. BL 744. Sie drehte sich rasch zum gegenüberstehenden Wagen um, einem silberfarbenen Golf, trat dicht daran heran und starrte ins Fenster. Der Mann folgte ihr.
    »Das da ist einer aus der Kantine, ich weiß nicht mehr, wie er heißt. Ein kleiner Wicht mit Locken. Ist er das?«
    Sie lächelte geduldig, erhob sich und warf einen raschen Blick auf den weißen Opel hinter dem Mann, jetzt konnte sie die ganze Nummer sehen. BL 74470. Ein Manta. Sie hatte recht gehabt, das war so einer wie Josteins alter, aber schöner, neuer und besser in Schuß. Innen war er rot. Eva ging los, steuerte auf die Schranke zu, sie hatte genug gesehen. Hatte ihn mit großer Leichtigkeit gefunden. Einen ganz normalen Brauereiarbeiter, der einen Mord auf dem Gewissen hatte. Und sie, Eva, wußte genug, um ihn für fünfzehn, zwanzig Jahre einsperren zu lassen. In eine kleine Zelle. Das ist unglaublich, dachte sie. Gestern hat er Maja umgebracht. Heute geht er zur Arbeit, als ob nichts passiert sei. Also ist er clever. Und eiskalt. Vielleicht diskutiert er bei einem Butterbrot in der Kantine über diesen Mord. Sie sah ihn vor sich, er schmatzte und kaute und hatte Mayonnaise an der Oberlippe kleben. »Schreckliche Sache, war sicher ein jähzorniger Freier.« Dann trank er einen Schluck Cola, nahm Zitronenscheibe und Petersilie vom Brot und biß wieder hinein. »Der ist jetzt bestimmt schon in Schweden.«
    Vielleicht hatten auch noch andere Kollegen Maja gekannt, dachte sie plötzlich. Und vielleicht ging es ihm wie ihr, vielleicht konnte er fast nicht glauben, was passiert war, und er versuchte, es wie einen grauenhaften Traum von sich abzuschütteln.
    »Jetzt weiß ich wieder, wie er heißt!« rief der Wächter hinter ihr her. »Der mit dem Golf. Er heißt Bendiksen. Kommt aus Finnmark.«
    Eva winkte ihm zu, ohne sich umzudrehen, und ging weiter. Dann blieb sie stehen.
    »Arbeiten die schichtweise?«
    »Sieben bis drei bis elf bis sieben.«
    Wieder nickte sie, sah auf die Uhr und verließ den Parkplatz, ging am Schwimmbad vorbei und setzte sich in ihr Auto. Ihr Herz schlug jetzt ziemlich schnell, wie sollte sie mit ihrem neuen Geheimnis umgehen? Aber sie ließ den Wagen an und fuhr nach Hause. Es war noch lange bis drei Uhr. Sie würde ihn erwarten und ihm folgen. Herausfinden, wo er wohnte. Ob er Frau und Kinder hatte. Nur zu gern wollte sie ihn wissen lassen, daß jemand Bescheid wußte. Nur das. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß er sich sicher fühlte, daß er aufgestanden und wie immer zur Arbeit gegangen war, nachdem er Maja ganz ohne Grund umgebracht hatte. Sie begriff nicht, warum er das getan hatte, woher seine Wut gekommen war. Als sei das Messer neben dem Bett die größte Beleidigung gewesen, die man ihm überhaupt zufügen konnte. Aber Mörder sind nicht wie andere, überlegte sie und wich einem ausgesprochen unsteten Radfahrer aus. Denen muß irgend etwas fehlen. Oder vielleicht hatte ihm der Anblick des Messers ganz einfach eine schreckliche Angst eingejagt. Glaubte er denn wirklich, daß Maja ihn erstechen wollte? Sie überlegte kurz, ob irgendein gerissener Anwalt ihn vielleicht durch die Behauptung retten könne, es habe sich um Notwehr gehandelt. Dann muß ich eingreifen, dachte Eva, aber sofort gab sie diesen Entschluß wieder auf. Vor Gericht als Freundin der Prostituierten aussagen, nein, das konnte sie nicht. Ich bin nicht feige, dachte sie, eigentlich nicht. Aber ich muß doch an Emma denken. Immer wieder sagte sie sich das. Aber sie war jetzt einfach unruhig, tausend kleine Ameisen wuselten in ihrer Blutbahn herum. Weil niemand etwas wußte. Weil so etwas passieren konnte und nur eine kleine Zeitungsnotiz wert war, und dabei ging es doch um ihre Freundin, Maja, ihre allerbeste Freundin.
    Als sie ihre Haustür aufschloß, schellte das Telefon.
    Sie fuhr zusammen. Die Leitung war also wieder freigegeben worden, vielleicht war es die Polizei. Sie zögerte kurz, entschied sich dann aber und nahm den Hörer ab.
    »Aber Eva! Wo in aller Welt treibst du dich denn die ganze Zeit herum! Ich versuche schon seit Tagen, dich anzurufen!«
    »Das Telefon war gesperrt. Aber

Weitere Kostenlose Bücher