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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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hatte, Eva hatte schließlich Kriminalromane gelesen. Plötzlich fragte sie sich erschrocken, was für Spuren sie wohl selber hinterlassen haben mochte. Der Polizist würde wiederkommen, da war sie sich sicher. Und sie würde dieselbe Geschichte wie beim ersten Mal erzählen müssen, vielleicht würde es ihr auf die Dauer leichter fallen. Mit energischen Schritten ging sie ins Atelier. Zog sich das Malerhemd über den Kopf und starrte mürrisch die schwarze Leinwand auf der Staffelei an. Sechzig mal neunzig, ein gutes Format, nicht zu groß, nicht zu klein. In der Schublade lagen Sandpapier und ein Holzklotz. Sie riß ein Stück Sandpapier ab und wickelte es um den Klotz, schloß die Hand darum und machte vorsichtige Bewegungen in der Luft. Dann machte sie sich über die Leinwand her. Sie fing oben rechts an und kratzte vier oder fünf Mal kräftig darüber. Die Leinwand wurde mittelgrau, ungefähr wie Blei, etwas heller dort, wo das Gewebe aus dicken Fäden bestand. Sie trat einen Schritt zurück. Wenn sie ihn nun nicht finden! Wenn er ganz einfach davonkommt! Opel Manta, BL 74, wenn sie richtig gesehen hatte? Nicht alle werden gefaßt, überlegte sie, wenn sie ihn nicht in ihrem Archiv haben, wie sollen sie ihn dann finden? Alles war so schnell und vollständig lautlos passiert. Er war innerhalb weniger Sekunden aus der Wohnung geschlichen und verschwunden. Wenn nur Eva seinen Wagen gesehen hatte, dann würden sie es nie erfahren, daß er einen Opel Manta fuhr, einen Wagen, der nicht häufig vorkam, und der es leicht gemacht hätte, ihn zu finden.
    Sie trat wieder vor und rieb heftig an einem Punkt etwas weiter links herum, mit etwas weniger hektischen, dafür aber härteren Bewegungen. Was hatte er noch über seine Arbeit gesagt, wie lange mußte er arbeiten, um wieviel zu verdienen? Einen Häuptling. Ein Häuptling sind tausend Kronen, überlegte sie. Sie sah den blonden Hinterkopf mit dem Zöpfchen im Nacken vor sich. Hatte er nicht die Brauerei erwähnt?
    Sie hielt inne. Sie hatte jetzt die weiße Leinwand erreicht, und ein starkes Licht entwickelte sich. Der Klotz fiel zu Boden. Sie schaute auf die Uhr, dachte kurz nach und schüttelte energisch den Kopf. Dann kratzte sie weiter. Schaute noch einmal auf die Uhr. Zog sich das Hemd über den Kopf und ging.
    Der Wagen brauchte vollen Choke zum Starten. Er brüllte wütend auf, und die Auspuffgase waren schwarz, als sie schaltete und auf die Straße hinausfuhr. Vielleicht war der Mann ja schon in Schweden. Vielleicht hatte er ein Ferienhaus, in dem er sich verstecken konnte, vielleicht hatte er sich umgebracht. Oder er war wie andere Leute bei der Arbeit, als ob nichts passiert sei. In der Brauerei, vor der der weiße Manta geparkt war.
    Sie saß vornübergebeugt hinter dem Lenkrad und gab Gas. Sie wollte nur nachsehen, ob sie recht hatte, ob der Wagen wirklich dort stand. Ob es ihn wirklich gab, ob er nicht nur ihrer Phantasie entsprungen war. Sie fuhr am Elektrizitätswerk auf der rechten Seite vorbei, und plötzlich fielen ihr die unbezahlten Rechnungen ein, die durfte sie nicht vergessen. Jetzt hatte sie ja Geld genug, jetzt konnte sie sogar einige Bilder rahmen lassen. Die Leute kauften keine Bilder, bei denen an der Seite die Fäden der Leinwand heraushingen. Eva begriff das einfach nicht. Jetzt näherte sie sich der Ausfahrt mit den neun Rampen. Ging in den zweiten Gang. Er hat mich nicht gesehen, dachte sie. Ich kann gefahrlos vor der Brauerei herumspazieren, er hat keine Ahnung, wer ich bin, und was ich gesehen habe. Aber er hat Angst und sieht sich vor. Ich muß vorsichtig sein. Sie schaukelte über die erste Rampe. Wenn er clever ist, dann macht er weiter, als ob nichts passiert ist. Geht zur Arbeit. Reißt in der Kantine Zoten. Vielleicht, dachte sie plötzlich, hat er Frau und Kind. Sie fuhr vorsichtig über die nächste Rampe und versuchte, auf ihr altes Auto Rücksicht zu nehmen. In Gedanken taufte sie den Mann Elmer. Diesen Namen fand sie passend, ein bißchen blaß und verwaschen. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er einen normalen Namen haben könnte, so, wie andere Leute, Trygve oder Kåre oder vielleicht Jens. Nicht, wenn sie ihn vor sich sah, wie er auf dem Bett gesessen hatte, mit der Hose auf den Knien und dem scharfen, funkelnden Messer in der Hand. Nichts an ihm war normal. Ob er sich jetzt anders vorkam? War er erschüttert und verängstigt, oder ärgerte er sich nur, weil er eine Grenze überschritten hatte, die ihn vielleicht teuer

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