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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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entlangritten, sagte ich kein Wort und grübelte über sämtliche Möglichkeiten nach, wie Caleb uns töten oder uns zu Dingen überreden würde, die wir auf keinen Fall tun sollten. Unter all den Lügen, die uns die Lehrerinnen aufgetischt hatten, musste es doch auch ein paar Wahrheiten geben! Nachdem ich gesehen hatte, wie die Bande die Hirschkuh bei lebendigem Leib gehäutet hatte, wusste ich, dass Männer so gewalttätig und gefühllos waren, wie man uns eingetrichtert hatte. Ich dachte an die unschuldige Anna Karenina und wie sie von ihrem Ehemann Alexej unterdrückt und dann von ihrem Liebhaber Wronski verführt worden war. Lehrerin Agnes hatte die Szene, in der sie Selbstmord beging, laut vorgelesen und dabei enttäuscht den Kopf geschüttelt. »Hätte sie bloß gewusst, was ihr wisst«, hatte sie gesagt. »Hätte sie bloß.«
    Mich würde niemand hereinlegen. Sobald wir in Calebs Camp ankämen, würden wir essen und dann den Sturm abwarten. Ich würde nicht schlafen. Nein, ich würde wachsam bleiben und die Nacht gegen die Wand gelehnt verbringen. Am Morgen, wenn der Himmel wieder seine makellose tiefblaue Farbe hatte, würden wir weitergehen. Arden und ich. Nur wir beide.
    »Woher weißt du über die Schule Bescheid?«, fragte Arden. Bis auf die Frage an Caleb, welchen Weg er einschlagen würde, hatte sie nicht viel gesagt.
    Ich hob die Wange von Ardens Rücken, mit einem Mal interessierte mich ihr Gespräch.
    »Ich weiß mehr über Schulen, als mir lieb ist.« Caleb sah starr auf die Straße vor uns. »Ich war auch eine Waise.«
    »Dann gibt es also auch Schulen für Jungen?«, bohrte Arden weiter. »Ich wusste es. Wo?«
    »Ungefähr hundertfünfzig Kilometer nördlich von hier. Allerdings sind es keine Schulen, sondern Arbeitslager. Ich weiß über die Dinge Bescheid, die ihr in der Schule gesehen habt, ich weiß, wie entsetzlich es ist und dass Mädchen als Gebärmaschinen benutzt werden. Aber ich kann euch versichern …« Caleb hielt einen Moment inne. Er redete ruhig und nüchtern, als wisse er diese Geheimnisse seit Jahren. »Ich kann euch versichern, dass auch die Jungen gelitten haben, vielleicht sogar noch mehr.«
    Ich konnte mir ein spöttisches Auflachen nicht verkneifen. Es waren immer die Frauen gewesen, die unter Männern gelitten hatten. Es waren Männer, die Kriege anfingen. Männer hatten die Luft und das Meer mit Abgasen und Öl verschmutzt, die Wirtschaft ruiniert und die alten Gefängniseinrichtungen bis zum Überlaufen gefüllt. Arden jedoch langte nach hinten und kniff mich so fest in den Schenkel, dass ich quiekte. »Du musst Nachsicht mit ihr haben«, erklärte sie. »Sie sollte die Abschlussrede an der Schule halten.«
    Caleb nickte, als würde das meinen Charakter erklären. Dann beugte er sich vor und trieb das Pferd an, schneller zu laufen. Wir galoppierten einen langen Hang hinauf, die Hügelkuppe war nur noch einige Hundert Meter entfernt. Bäume streckten ihre Äste über das grasige Gelände und warfen bedrohliche Schatten. Mittlerweile war der Regen noch stärker geworden. Die Tropfen fühlten sich an, als würden winzige Kiesel auf meine Haut prasseln.
    »Oh nein.« Caleb brachte das Pferd mitten im Schlamm zum Stehen. Ich folgte seinem Blick. Nur ungefähr hundert Meter vor uns stand ein Regierungsjeep. Durch den Regen konnte ich die zwei roten Rücklichter erkennen.
    Caleb versuchte, das Pferd in eine andere Richtung zu lenken, aber es war zu spät. Der Strahl einer Taschenlampe durchschnitt die Dunkelheit und leuchtete uns ins Gesicht.
    »Bleibt stehen! Auf Befehl des Königs des Neuen Amerika!«, bellte eine Stimme über ein Megafon.
    »Los«, drängte Arden. »Jetzt!«
    Caleb riss das Pferd herum und wir galoppierten den Weg zurück, den wir gekommen waren. Ich konnte nicht anders, als zurückzuschauen. Der Jeep wendete, seine Hinterräder wirbelten Matsch auf. Er raste hinter uns her, die starren Augen seiner Scheinwerfer strahlten unsere Rücken an.
    »Im Namen des Königs, bleibt stehen! Oder wir wenden Gewalt an!«
    »Nein«, flüsterte ich vor mich hin und klammerte mich an Ardens nassen Rücken. »Nein, das darf nicht sein.« Vielleicht lag es an dem Regenguss oder am Matsch oder am Gewicht der dritten Person, das Pferd war auf jeden Fall deutlich langsamer als zuvor. Der Jeep kam immer näher.
    »Wir können nicht auf dieser Straße bleiben«, keuchte Caleb. »Hier kriegen sie uns.« Er deutete seitwärts auf einen Wald mit dichtem Unterholz. Das Pferd hielt

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