Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
einen Augenblick sprach keiner von uns, nur das laute Schnauben des Pferdes war zu hören. Ardens Hand lag auf dem Messer.
Der Junge schüttelte den Kopf. »Bist du auch so paranoid wie sie? Lasst mich raten, ihr beide seid gerade aus der Schule geflohen?« Mit einem Satz sprang er vom Pferd. Ein neues Donnergrollen war zu hören, er strich dem Tier über den Hals, um es zu beruhigen. »Psst, Lila«, flüsterte er.
»Was weißt du über die Schule?«, fragte Arden.
»Mehr, als du denkst. Ich bin Caleb«, stellte er sich vor und streckte Arden die Hand entgegen. Sie rührte sich nicht und starrte auf den Dreck, der sich unter seinen Nägeln und zwischen seinen Knöcheln festgesetzt hatte. Dann ließ sie langsam die Schultern sinken und nahm die Hand vom Messer. Ich sah hektisch von einem zum anderen.
Er schien ihr zu gefallen.
»Arden«, zischte ich. Wenn sie ihn wenigstens nicht anfassen würde! Ihr Blick fiel auf eine Tätowierung auf seiner Schulter: einen Kreis, der das Wappen des Neuen Amerika umschloss. »Komm schon, lass uns Abendessen machen.« Ich wusste, dass die plötzliche Anwesenheit eines Mannes sie ebenso überraschte wie mich, doch wir konnten nicht dort stehen bleiben, nur einige Zentimeter von ihm entfernt. Schutzlos. Ich fing an, die Straße hinunterzulaufen, und winkte Arden, mir zu folgen. Sie rührte sich jedoch nicht.
»Ich konnte nichts fangen«, erklärte sie und trat schließlich einen Schritt zurück. Sie sah zu den drei Kaninchen, die vom Hals der Stute herunterbaumelten. Dann öffnete sie den Sack, den sie an der Taille befestigt hatte, damit ich sehen konnte, dass er leer war.
Die Sturmwolken kamen näher. Ein Donnerdröhnen erschütterte die Luft. Ich kickte einen Stein über die Straße. Hätte ich dem Bärenjungen doch bloß diese verrosteten Dosen abgenommen! Uns stand eine weitere kalte verregnete Nacht ohne etwas zu essen bevor.
Caleb stieg wieder auf sein Pferd. »Wenn ihr zwei mitkommen wollt, in meinem Camp gibt es massenhaft Nahrung.«
Ich lachte bei dem Vorschlag, doch Arden sah von mir zu Caleb, dann auf die Kaninchen.
»Nein …«, murmelte ich leise. Ich packte sie am Arm und wollte sie wegzerren. Sie rührte sich nicht vom Fleck.
»Was gibt es denn zu essen?«, erkundigte sie sich.
»Alles. Wildschwein, Kaninchen, wilde Beeren. Ich habe vor ein paar Tagen einen Hirsch erlegt.« Er deutete auf irgendeinen unsichtbaren Ort am grauen Horizont. »Auf dem Pferd ist es nicht so weit.«
Ich wich Schritt um Schritt zurück. Arden betrachtete Caleb jedoch abschätzend und versuchte, mit den Fingern einen Knoten in ihrem kurz geschnittenen schwarzen Haar zu entwirren. Sie sträubte sich gegen meinen Griff. »Woher wissen wir, ob wir dir trauen können?«, fragte sie.
Caleb zuckte mit den Schultern. »Wisst ihr nicht. Aber ihr habt kein Pferd, nichts zu essen und ein Sturm zieht auf. Vielleicht solltet ihr es probieren.« Arden sah zum grauen Himmel, danach auf den leeren Sack an ihrer Seite.
Nach einem Moment befreite sie sich aus meinem Griff. Sie lief um das Pferd herum und stieg hinter Caleb auf. »Ich nehme dich beim Wort«, sagte sie und hielt sich fest.
Ich schüttelte den Kopf und rührte mich nicht. »Niemals. Wir kommen nicht mit in dein ›Camp‹.« Mit den Fingern deutete ich Anführungszeichen an. Ganz sicher war das eine Falle.
»Wie du willst. Aber ich würde an deiner Stelle nicht allein hier draußen sein wollen. Vor allem nicht bei diesem Wetter.« Caleb deutete auf die dichten Sturmwolken, die immer schneller herantrieben, sich ausbreiteten und sich jeden Moment über den Wald ergießen würden. Schließlich wendete er das Pferd und sie trabten die Straße hinunter. Arden winkte mir zum Abschied, allerdings ohne sich die Mühe zu machen, den Kopf zu drehen.
Ich sah zu dem Feld, über das wir gekommen waren. Die Sonnenblumen lagen vom Wind heruntergedrückt auf einer Seite. Ich war nicht sicher, in welcher Richtung das Haus lag oder wie weit es noch war. Ich hatte keine Ahnung, wie man ein Feuer anzündete, ich konnte nicht jagen und ich besaß kein Messer.
Ich bohrte die Fingernägel in meine Handfläche. »Wartet!«, rief ich und rannte dem Pferd hinterher. »Wartet auf mich!«
ACHT
Es war die dunkelste Nacht, die ich je erlebt hatte, nur die zuckenden Blitze am Himmel spendeten Licht. Wir waren zwei Stunden geritten. Ich klammerte mich an Arden und war dankbar, dass etwas zwischen mir und Caleb war. Während wir eine schlammige Straße
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