Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
ihrer Mutter die Nägel poliert. Am besten hatte mir immer ihr Haus gefallen, das gigantische Sofa, auf das sie sich alle fallen ließen, die Pflanzen auf den Tischen, die Kommode, die von Kleidern und Spielsachen überzuquellen schien. Es war ein richtiges Zuhause, mit gestrichenen Wänden und passenden Möbeln. So wie hier.
Auf dem Kamin aus Ziegelsteinen standen gerahmte Fotos. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigte ein kleines Mädchen mit karierter Schürze. Ein anderes einen Jungen in einem weißen Anzug mit einer Blume im Knopfloch. Außerdem gab es ein Foto von einem jungen Paar in hochgeschnittenen Hosen, das sich im Arm hielt. Die Hand der blonden Frau, die nur wenig älter war als ich, lag auf dem Herzen des Mannes.
Sofort musste ich an Caleb denken, der irgendwo dort draußen war und an seine Version der Geschichte glaubte. Er hatte mich in Erinnerung, wie ich seine Hand abgeschüttelt hatte, wie unsicher ich auf seine Frage nach Leif geantwortet hatte. Er war ohne mich dort draußen.
»Wie ich sehe, haben wir Besuch.« Ein silberhaariger Mann kam die Treppe herunter, dabei zog er ein Bein mit großer Mühe nach. Er war sogar noch älter als Marjorie, sein Flanellhemd war locker in die Hose gestopft, die an den Knien weiß wirkte, weil der braune Stoff dünn und fadenscheinig war. Lark betrachtete ihn erschrocken und mir wurde klar, dass ich vor ein paar Wochen genauso reagiert hätte. Nachdem ich so viel Zeit mit Caleb verbracht hatte, hinter ihm auf dem Pferd geritten und mit ihm durch den Wald gelaufen war, hatte ich meine frühere Angst mittlerweile überwunden.
Marjorie kniete sich neben das Feuer und tat auf jeden Teller einige Löffel Beeren. »Ich habe die Mädchen im Wald gefunden. Irgendein Wilder wollte sie umbringen.« Sie starrte Otis einen Augenblick zu lange an. In ihren Worten lag irgendeine geheime Botschaft.
»Was habt ihr hier draußen gemacht?« Otis zog einen Stuhl vom Esstisch heran, wobei die Stuhlbeine über den Holzboden kratzten, und setzte sich zu uns.
Larks Augen füllten sich mit Tränen. »Dieser Mann, Fletcher, hat uns eingefangen. Er wollte uns irgendwohin bringen, wo wir verkauft werden sollten.« Als sie das sagte, schob sie die dicken schwarzen Haare hinter die Ohren, ihre Finger zitterten leicht.
»Wir kommen aus den Schulen«, fügte Arden hinzu. »Wir sind geflohen.«
Marjorie reichte mir einen Teller mit dampfenden Beeren und ich sog den kräftigen Geruch ein. Auf den Rand des Porzellantellers waren winzige rote Rosen gemalt. Es war ein willkommener Kontrast zu den Metallschalen, aus denen wir in der Schule gegessen hatten, und den selbst geschnitzten Holznäpfen, die uns Caleb im Höhlencamp gegeben hatte. »Wie lange seid ihr schon unterwegs?«, wollte Marjorie wissen.
»Seit vier Tagen«, antwortete Lark.
Marjorie deutete auf Arden und mich.
Ich schluckte die Beeren herunter. »Ich bin nicht sicher … ein paar Wochen.«
»Ja«, sagte Marjorie. »Es ist nicht einfach, ein Gefühl für die Zeit zu behalten, wenn man ganz allein hier draußen lebt.« Während sie sprach, wanderte ihr Blick wieder zu Otis. »Und wo wollt ihr hin?«
Arden warf mir einen Seitenblick zu und schwieg. Ich deutete mit der Schulter ein schwaches Schulterzucken an. Es war gefährlich, irgendjemandem hier draußen in der Wildnis zu trauen, aber Marjorie hatte mir gerade das Leben gerettet. »Wir wollten immer der 80 folgen, bis wir zu einem Ort namens Califia kommen«, sagte Arden und stocherte mit der Gabel in ihrem Essen herum,
»Kluge Mädchen«, sagte Otis. Als er sich auf dem Stuhl vorbeugte, rutschten seine Hosenbeine über die Knöchel und man sah, dass sein rechtes Bein aus Holz war. Ich starrte auf die leichte Maserung, den grob geschnitzten Winkel, der den Knöchel bildete und als langer Keil in seinen Schuh hineinreichte. Es sah aus, als wäre das Bein aus einem abgebrochenen Ast gefertigt worden. »Und wie wollt ihr es dorthin schaffen?«
»Wir sind von der Straße abgekommen«, erwiderte ich. »Ich habe keine Ahnung.«
Lark schaufelte halb verhungert die Beeren in den Mund.
Marjorie tauschte einen weiteren Blick mit Otis. Dann stand sie auf und ging langsam zur Laterne im Fenster. Sie nahm sie hoch und blies das Licht aus. »Aber ich.«
Ich sah auf die Regale hinter ihr, auf denen ein schwarzes Funkgerät aus Metall stand, daneben lag ein Sprechgerät.
»Der Pfad« , sagte ich laut und zu niemandem speziell.
Otis deutete zu Boden. »Richtig, du stehst genau
Weitere Kostenlose Bücher