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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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darauf.«
    »Was heißt das?«, fragte Arden. Sie stellte den Teller auf ihren Schoß, die Gabel klirrte gegen das Porzellan. Als wir in Pauls Zimmer gewesen waren, hatte ich ihr vom Pfad erzählt, aber in ihrem Fieberwahn hatte sie den Namen offenbar vergessen.
    Marjorie stellte sich vor uns und verschränkte ihre faltigen Hände. »Das ist ein sicheres Haus, eine der Zwischenstationen zwischen mehreren Höhlencamps und Califia. Wir helfen Waisen, dem Regime des Königs zu entkommen.«
    Lark starrte auf die Kerze in der Laterne, deren schwarzer Docht qualmte. »Aber was ist mit den Soldaten? Wissen die nicht, dass Sie hier sind?« Sie schlang die dünnen Arme um den Oberkörper und umarmte sich selbst.
    »Sie sind immer misstrauisch«, erklärte ihr Otis. »Immer wieder kommen sie mit ihren Jeeps vorbei, stellen uns Fragen oder durchsuchen das Haus. Doch solange sie uns nicht etwas Verbotenes nachweisen können, haben sie keine großen Möglichkeiten. Wir haben eine Erlaubnis, außerhalb der Stadt aus Sand zu leben.«
    »Erlaubnis?«, fragte ich. Ich hatte schon früher von Streunern gehört, natürlich, aber das waren Lumpensammler, ziellose Wanderer. Für mich waren sie gleichbedeutend mit denen, die man in alten Büchern als »obdachlos« bezeichnete. Ich verband kein Bild von Menschen damit, die in Häusern lebten – und ein Zuhause wie dieses hier hatten.
    Otis zupfte ein Hosenbein nach unten und bedeckte das Holzbein. »Es ist ein langer Weg und nur wenige entscheiden sich ohne guten Grund, ihn durchzustehen. Aber wir sind alt und in der Stadt aus Sand haben sie keine Verwendung für uns. Meistens lassen sie uns in Frieden.«
    Lark knabberte an ihrem Finger. Das Feuer hatte ihre Wangen erwärmt und die Schönheit ihres runden weichen Gesichts zum Vorschein gebracht. »Was würden die Soldaten tun, wenn sie wüssten, dass Sie uns helfen?«
    »Sie würden uns umbringen«, lautete Marjories trockene Antwort. Sie sah auf die brennenden Holzscheite. Sie knisterten, ihre verkohlten Überreste bewegten sich im Feuer. »Der König duldet keine Opposition. Sehr viele sind spurlos aus der Stadt verschwunden. Ein Bürger, der für den Pfad arbeitete, ein Mann namens Wallace, hat aus Versehen einem Spitzel von unserer Organisation erzählt. Innerhalb einer Woche war er verschwunden. Nach den Worten seiner Frau haben sie ihn einfach aus dem Bett geholt und Gott allein weiß, wohin sie ihn verschleppt haben.«
    Meine Zunge kringelte sich wie eine vertrocknete Schlange in meinem Mund. Ich hatte so oft von dieser Stadt geträumt, den sauberen schiefergrauen Straßen, den künstlich angelegten Stränden, wo Frauen mit ihren Büchern unter Schirmen saßen. Warum hatte ich diesen Lügen so lange Glauben geschenkt?
    »Ihr bleibt ein paar Tage bei uns«, erklärte Otis. »Dann bringen wir euch zu einem anderen sicheren Haus. Man erkennt sie an der Laterne im Fenster – ist sie angezündet, können sie euch aufnehmen.«
    Lark knabberte weiter an ihren Fingern und riss die Haut ab, bis es blutete. »Aber wenn sie uns kriegen, bringen sie uns um – das haben Sie selbst gesagt.«
    Marjorie schob eine Strähne ihres dicken weißen Haars in ihren Zopf. Die Schatten tanzten im Schein des Feuers, ihr Gesichtsausdruck war unverändert. »Vor fast zweihundert Jahren führte Harriet Tubman Sklaven in die Freiheit. Und wenn sie ihr erzählten, dass sie sich nicht trauten, wenn sie erklärten, sie hätten zu viel Angst, dann richtete sie eine Pistole auf sie und sagte –«, Marjorie tat, als hielte sie eine Waffe, »– wagt den Schritt oder der Tod ist euch gewiss.«
    Otis legte seine Hand auf Marjories und drückte die unsichtbare Waffe nach unten. Anschließend drehte er sich mit zusammengekniffenen Augen zu uns. Rings um seine Augen bildeten sich Fältchen. »Sie will damit nur sagen, dass Angst keine Option mehr ist, denn genau darauf baut das Regime des Königs: auf die Annahme, dass wir alle zu viel Angst haben, anders zu leben.«
    Ich erinnerte mich an das Gefühl, als ich an der Mauer gestanden hatte. So viel ich auch wusste, so viel ich auch in dem grauenvollen Gebäude auf der anderen Seite des Sees herausgefunden hatte, irgendetwas hatte mich zurückgehalten. Ich hörte einen Chor von Schülerinnen, der über Hunde und Banden in der Wildnis flüsterte. Ich hörte das gleichförmige Trommeln der knotigen Finger von Schulleiterin Burns auf dem Tisch, wenn sie mich drängte, meine Vitamine zu schlucken. Die Lehrerinnen

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