Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey

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Doch wenn ich Fletcher lachen hörte, während er das Funkgerät locker in der Hand hielt, spürte ich nur Verdorbenheit. Eine Sache, die Lehrerin Agnes gesagt hatte, stimmte tatsächlich: Manche Männer betrachteten Frauen lediglich als Ware. Wie Benzin, Reis oder Dosenfleisch.
    Arden beobachtete mich von der Seite und setzte sich so hin, dass sie ihm den Rücken zuwandte. »Wir müssen hier raus«, flüsterte sie. »Heute Nacht.«
    »Aber er wird uns umbringen«, warf Lark ein und zog die zerrissene Decke über die Beine.
    »Wir sind schon tot«, fuhr Arden sie an.
    Ich nickte, denn damit hatte sie recht. Ich hatte dieses Gefühl im Lagerhaus mit Leif gehabt, als mein Wille unterdrückt wurde, immer weiter unterworfen, bis er qualvoll nahe daran war zu brechen. Fletcher würde seine Meinung nicht ändern. Er würde auch nicht plötzlich Anstand beweisen. Bei ihm fände nicht mitten in der Nacht eine moralische Läuterung statt.
    Ich rutschte näher an Lark und Arden heran und ließ meine Haare ins Gesicht fallen, damit Fletcher, falls er in den Rückspiegel schaute, meine Lippenbewegungen nicht erkennen konnte.
    »Wir versuchen wegzulaufen, wenn er das Lager aufschlägt«, schlug ich vor und spürte plötzlich wieder Mut.
    Ich sah durch die Gitterstäbe und hoffte auf ein Straßenschild, irgendeinen Hinweis, wo wir uns befanden, doch es war stockdunkel.

    Stunden später bog der Laster von der Straße ab, die Reifen holperten über Steine und abgebrochene Äste und schließlich hielten wir auf einer Lichtung. Der Himmel war bedeckt, der Mond nicht zu sehen. Die Landschaft hatte sich verändert. Die dichten Bäume waren offenem Gelände gewichen, niedrigem Gebüsch und Sand, der im Scheinwerferlicht rötlich schimmerte. Vor uns erhoben sich Felsformationen, die eine Mischung aus Bergen und Klippen waren, ihre Umrisse schnitten seltsame Schatten in den Sternenhimmel. Fletcher stieg aus, streckte die Arme, dann pinkelte er in das niedrige Gestrüpp.
    »Mach einfach, was wir dir gesagt haben«, flüsterte Arden und umklammerte Larks Handgelenk.
    »Ich weiß«, erwiderte diese und machte sich los. Ihre Stimme klang hart. »Das hast du mir schon mal gesagt.«
    »Wir müssen zur Toilette!« Ich hämmerte mit den Fäusten gegen die Metallstäbe. »Und zwar jetzt.«
    Fletcher zog den Reißverschluss seiner Hose zu. »Was?«
    »Sie sagte«, fuhr Arden fort, während sie ihr schwarzes Haar aus der Stirn strich, »dass wir mal pissen müssen.«
    Fletcher nickte, scheinbar verstand er diese Worte wesentlich besser. Er leuchtete mit der Taschenlampe in den Käfig, anschließend ins Gelände, wo ein zerfallenes Haus am Fuße gewaltiger Felsen stand. »Alle?«
    »Alle«, bestätigte Arden. Sogar Lark nickte überzeugend.
    Fletcher leuchtete Arden mit der Taschenlampe ins Gesicht, anschließend Lark, schließlich mir. Ich kniff die Augen zusammen, als mich das grelle Licht traf. »Ihr habt zwei Minuten. Ihr könnt da rübergehen, in den Wald.« Der Strahl seiner Taschenlampe wanderte über einen Streifen verkohlter Bäume, ein Feuer hatte eine Schneise schwarzer, übereinanderliegender Äste hinterlassen. »Falls ihr jedoch einen einzigen Schritt ohne meine Erlaubnis wagt –« Er zog die Pistole aus dem Gürtel und hielt sie hoch.
    Larks Atem ging schneller, als Fletcher das massive Vorhängeschloss öffnete. Wir kletterten vom Laster, Arden als Erste, dann ich, dann Lark. Während wir auf die Bäume zugingen, hielt Fletcher den Lichtstrahl auf unsere Rücken gerichtet.
    Im Licht der Taschenlampe wirkte der Wald noch bedrohlicher. Die Zweige, ihrer Rinde und Blätter beraubt, streckten sich nach uns und schienen uns in den Wald zu winken.
    »Noch nicht«, flüsterte ich und war mir nicht sicher, ob ich diese Erinnerung brauchte oder Lark. Wir liefen langsam und vorsichtig durch das kurze Gestrüpp. Zwischen den verkohlten Wurzeln reckten sich neue Triebe, hohes Gras und Farn, hoffnungsvolle Anzeichen von Widerstandskraft.
    Als wir den Waldrand erreichten, drehte sich Arden zu mir um. Ihr Blick wurde weicher. Sie verzog leicht den Mund, es war eine Art Lächeln, das nur ich wahrnehmen konnte. Vielleicht sehen wir uns nicht wieder, schien sie sagen zu wollen, ihre Augen leuchteten im Sternenlicht. Das wäre schade.
    Wir gingen ein, zwei, drei Schritte in den Wald hinein. Ich warf einen Blick nach rechts, konnte jedoch nur zwei Bäume ausmachen, sonst nichts. Da gab Arden das Stichwort, so leise, dass ich sie kaum hörte: